1 m2 Flachs: Ein Jahresprojekt

Vor einigen Tagen habe ich Faserlein gesät, aus dem im Herbst ein Stück Stoff werden soll.

Vielleicht habt ihr schon mitbekommen, dass ich mit meinen Handarbeits-Tätigkeiten immer weiter „zurück zur Quelle“ gehe, könnte man sagen. Seit letzten Dezember (2023) spinne ich jetzt auch offiziell, mit Handspindel und Spinnrad (Bericht übers Spinnen folgt), und im Jänner diesen Jahres (2024) ist ein Tischwebstuhl mit vier Schäften bei mir eingezogen (Bericht übers Weben folgt). Noch weiter in der textilen Kette zurückgehend, kommt vor dem Spinnen und Weben die Ernte von Fasern. Und damit man Fasern ernten kann, muss man entweder Samen säen, oder sich Tiere anschaffen.

In Schweden, Norwegen, Finnland und auch in Dänemark und Holland gibt es seit einigen Jahren das Projekt „1 m2 Flachs“. Dabei geht es weniger darum, große Mengen Faserlein anzubauen, die für die industrielle Verarbeitung geeignet wären. Sondern es ist eher als Bildungsprojekt angelegt, bei dem man einmal selbst die Herstellung und Verarbeitung von Flachs/Leinen ausprobieren kann. Ein Quadratmeter Erde reicht dafür. Natürlich kommen dabei keine Riesenmengen heraus: Nach dem Ernten, „Rösten“, Brecheln, Hecheln, Spinnen, Färben und Weben der Fasern ergibt 1 m2 vielleicht die Größe eines Taschentuchs. Ich werde es ausprobieren und herausfinden.

Als ich einen Aufruf des holländischen Handarbeits-Councils zur Bestellung von Leinsamen gelesen habe, habe ich zuerst bestellt und erst danach überlegt, wo in Graz ich diese Samen überhaupt aussäen könnte. Wir wohnen ja mitten in der Stadt, ohne Balkon, und unser Innnenhof ist zwar mit Wiese und Bäumen bestückt, aber dort wird regelmäßig gemäht. Zum Glück waren die „Gartenzwerge Geidorf“ interessiert an meinem Projekt und haben mir einen Flecken Erde überlassen, der hübscherweise mit einem kleinen Weidenzaun umkränzt ist. Dieser kleine Gemeinschaftsgarten liegt am Murradweg, keine fünf Gehminuten entfernt von unserer Wohnung, wo ich fast täglich beim Joggen oder beim Spazierengehen mit dem Göttergatten vorbeikomme.

Am 9. April habe ich dort den ersten Quadratmeter ausgesät: Ziemlich genau „100 Tage nach Neujahr“.

Aussaat des ersten Quadratmeter Flachs bei sommerlichen Temperaturen am 9. April 2024.

Nach weiteren 100 Tagen soll der Flachs erntereif sein. Alle 10 Tage werde ich ein Foto vom Beet machen, um den Fortschritt zu dokumentieren.

Aussaat am 09.04.2024
Fortschritt am 19.04.2024

Bei „Zieh Lein“ in der Schweiz habe ich dann noch Samen für weitere 2 Quadratmeter bestellt, und meine Mutter hat sich bereit erklärt, die in ihrem Garten im Pinzgau auszusäen und für mich zu betreuen. Gestern, am Nachmittag des 21. April, haben wir die Samen dort ausgesät, nachdem der morgendliche Schnee (!) geschmolzen war.

Wenn du den Flachs-Anbau im Hausgarten auch einmal ausprobieren möchtest: Das Team von Fibershed DACH (steht für Deutschland-Österreich-Schweiz) hat vor Kurzem eine neue Seite veröffentlicht, auf der sie Quellen für Saatgut für Flachs/Lein, für Faserhanf und für Färbepflanzen in Deutschland/Österreich/Schweiz auflisten.

Ich bin sehr gespannt, wie sich dieses Jahresprojekt entwickelt!

Die zentrale Projektseite und Übersicht habe ich drüben im Textilportal-Magazin eingerichtet, wo ich die Fortschritte im Wachstum dokumentiere und auf Termine hinweise, wie z.B. das geplante gemeinsame Brecheln und Spinnen mit Freund:innen im Herbst.

Hier am Blümchen Blog werde ich unter dem Schlagwort #1m2flachs vor allem detaillierter über die handwerklichen Erfahrungen berichten.


Hast du schon mal mit Roh-Fasern gearbeitet? Flachs angebaut, und Flachs oder Wolle gesponnen? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht?
Berichte mir gerne davon in den Kommentaren, es interessiert mich sehr.

(Im Bingo von Antetanni gibt das einen Eintrag bei „Ein neues Projekt starten“.)

8 Kommentare zu „1 m2 Flachs: Ein Jahresprojekt“

  1. Hallo Gabi, ein tolles Projekt!
    Ich habe vor ein paar Jahren mit einer Freundin Wolle von Schafen aus unserem Dorf direkt nach der Schur zum Spinnen vorbereitet. Die Schafhalter verschenken die Vliese, sie müssten sie sonst entsorgen.
    Es war sehr viel Arbeit. Müsste ich nicht jedes Jahr machen, aber eine gute Erfahrung zur Wertschätzung.
    Liebe Grüße aus dem Odenwald
    Miriam

    1. Oh ja, das glaube ich dir sofort, dass die Aufbereitung der Schafvliese viel Arbeit ist! Ich habe es zwar noch nicht selbst gemacht, bin aber viel in Kontakt mit Menschen, die das tun. Unter anderem mit Kathrin Sonnemann von der „Rohwollkampagne“ in Deutschland, kennst du die? Liebe Grüße, Gabi

  2. Ja, das Ganze mal richtig von Anfang an angehen. Das ist eine tolle Idee, gleichzeitig auch mutig und eine Übung in Geduld.Ich drücke dir die Daumen, dass es auf beiden Beeten wächst und gedeiht. Bin gespannt auf die folgenden Bilder.
    Und warte (un)geduldig auf deinen Bericht vom Weben.
    LG
    Beate

    1. Vielen Dank fürs Daumendrücken! Das es wächst, davon gehe ich aus. Ich fürchte mich eher (1) vor einem Hagelunwetter, das die Ernte zunichte machen könnte, und (2) davor, dass es mit der „Röste“ nicht klappt. Das ist glaube ich ein Knackpunkt, da den richtigen Moment zu erwischen, wo man diesen Verrottungsprozess stoppt. Wir werden es sehen. Und wenn es dieses Jahr nicht klappt, dann vielleicht nächstes Jahr.
      Du wartest ungeduldig aufs Weben? Ja, ich auch. Von Woche zu Woche drängen sich Arbeitsdinge vor und verschiebe ich den Blogpost übers Weben. Und vorher Spinnen. Beide Artikel stehen ganz oben auf meinem Redaktionsplan. Es kann sich nur mehr um Wochen handeln, bis ich mir Zeit dafür freischaufle…
      Liebe Grüße, Gabi

    1. Zum Ernten selbst nicht, aber anschließend zur Weiterverarbeitung: Eine „Brechel“, mit der die holzigen Bestandteile zerklopft werden und eine „Hechel“, in der die kürzeren Fasern hängen bleiben. Zum Glück kenne ich inzwischen einige Personen, die mit solchen Geräten ausgestattet sind, und wir werden zur Weiterverarbeitung wahrscheinlich eine gemeinsame Aktion im Herbst starten. Es freut mich, dass du das Thema spannend findest! Liebe Grüße, Gabi

      1. Brechel und Hechel gab es auf den Dachböden der Großeltern in meiner Kindheit. Damals wusste ich nichts damit anzufangen, fand diese Nagelkissen aber interessant. Was meine Brüder damit gemacht haben, müsste ich mal nachfragen. Ich finde dein Projekt ja sehr spannend. Und wäre auch versucht, meinen 1 qm Lein anzubauen. Aber die Rehe sind wieder da, und es schmeckt ihnen bei mir, leider. Deshalb begleite ich lieber dich bei deinem Projekt 😊
        Liebe Grüße, heike

        1. Liebe Heike, die Rehe sind auch schuld, dass ich nicht dich gefragt habe, ob wir es bei euch im Garten versuchen wollen. Wenn ich mir jetzt die zarten jungen Triebe auf den beiden Beeten anschaue: Ich kann mir vorstellen, dass die den Rehen sehr schmecken würden!
          Falls du zufällig Hechel und Brechel auf den Dachböden noch findest und ihr sie verleihen mögt: Ich möchte gerne für Herbst eine gemeinsame Verarbeitungs-Aktion ins Leben rufen! Vielleicht magst du da auch mitmachen? Liebe Grüße, Gabi

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