Stoffspielereien im Oktober: hyperbolisch Häkeln

Im Oktober ist Elvira vom Blog „zwisch-en-durch“ die Gastgeberin unserer Stoffspielereien. Ihr Thema: Dreidimensional / Skulptural. Das habe ich zum Anlass genommen – inspiriert von einer Ausstellung – das hyperbolische Häkeln auszuprobieren.

Korallenriffe: Die Ausstellung

Gemeinsam mit meinen Freundinnen Heike (3hefecit) und Michi bin ich im März (2024) nach Linz gefahren, wo wir uns mit Silvia (Petersilie und Co) getroffen und zu viert eine Ausstellung besucht haben: Österreichs größtes Korallenriff im Schlossmuseum Linz. 🪸🐠🪸

(Silvias vorangegangener Bericht von der Ausstellung war der Auslöser für unseren Besuch gewesen, und Heike hat schon ausführlich vom Besuch berichtet, wie immer mit ganz tollen Bildern.)

Austrian Satellite Reef – Ausstellungsplakat

Wahrscheinlich kennt die eine oder der andere von Euch die Aktion Crochet Coral Reef die seit beinahe 20 Jahren um die Welt tourt? Sie wurde von zwei australischen Schwestern, Christine und Margaret Wertheim, ins Leben gerufen: Die eine ist Mathematikerin, die andere ist Künstlerin.

Die Thematik ist vielschichtig: Klimaerwärmung und dadurch hervorgerufenes Absterben von Korallenriffen; Mathematik und hyperbolische Geometrie; weiblich konnotiertes Handwerk und gesellschaftliche Beteiligung. Immer ein halbes Jahr bevor die Ausstellung an einen neuen Ort kommt, gibt es eine allgemeine Einladung, das kommende, neue „Riff“ mitzugestalten, etwas dafür zu häkeln. Aus allen – hunderten, tausenden! – Einsendungen werden dann die neuen „Riffe“ in einer Ausstellung zusammengestellt. 🪸🐠🪸

Im Fall von Österreich haben sie die Themen „roter Kreuzstich auf weißem Grund“ (rot und weiß), „Blaudruck“ (blau und weiß), sowie „Goldhauben“ (schwarz und Gold) aufgegriffen.

Wir haben viel Zeit in der Ausstellung verbracht, konnten uns gar nicht sattsehen. Schwer beeindruckend und sehr cool! Also falls du die Gelegenheit hast, die Ausstellung einmal an einem anderen Ort zu sehen: Unbedingte Empfehlung! Margaret Wertheims TED Talk auf YouTube ist – obwohl schon von 2009 – auch immer noch sehr sehenswert!

Hyperbolisches Häkeln

Dieses Gebilde, das auf einem Tischchen im Bereich stand, wo man als Besucherin selbst das Häkeln ausprobieren konnte, erinnerte mich in der Form an einen Christbaum. Deshalb dachte ich im März, dass ich für die heutigen Stoffspielereien im Oktober einen „Christbaum“, im Grunde so ein Gebilde in Grün fertigen würde.

Hyperbolisch gehäkeltes Dings

Hyperbolische Formen können am besten durch Häkeln nachgebildet werden. Dabei beginnt man häufig mit relativ wenig Maschen – zum Beispiel 8 Maschen im Kreis – und vervielfacht in jeder Reihe die vorhergehende Maschenzahl. Also z.B. häkelt man in jede Masche der Vorreihe 2 Maschen, oder 3 Maschen. Die Maschenanzahl pro Runde wächst exponentiell, dadurch beginnen sich die Ränder mehr oder weniger stark zu wellen.

Das habe ich zuerst mit einem braun-bunten Sockengarn ausprobiert, das ich von einer Freundin bekommen habe, der die Farbe nicht gefiel. Für so einen Test gut geeignet.

Test 1: Mit Häkelnadel Nr. 3 habe ich 16 Stäbchen in der ersten Runde gehäkelt, und dann 2 Stäbchen in jedes vorhergende Stäbchen. Man braucht dabei nicht die Runde schließen, sondern häkelt einfach in Spiralen weiter. In den ersten drei Runden hat sich noch nicht viel getan. Danach ist es schnell wellig geworden. Irgendwo habe ich gelesen, dass man nach 5-7 Runden aufhören kann. Test 1 wurde 6 Runden weit: in der letzten Runde häkelt man schon 512 Stäbchen. (16, 32, 64, 128, 256, 512, 1024,… die Zahlenfolge erinnert mich an die Informatik.)

Bei dem weißen Gebilde oben war der Ausgangspunkt aber offensichlich nicht ein kleiner Maschenring, sondern eine längere Luftkettenschnur. Und in der letzten Reihe ist ein Draht eingehäkelt oder zumindest eingezogen worden, der dem Gebilde Stabilität gibt, sodass es steht und nicht in sich zusammenfällt.

Über Pinterest bin ich auf die Projektseite der Künstlerin Gabriele Meyer gestoßen, die ihre hyperbolischen Häkelskulpturen zum Teil als Lampenschirme gestaltet und Lichtskulpturen von innen beleuchtet. Die Vielfalt und Schönheit ihrer Werke ist einfach CRAZY. Ich will gar nicht wissen, wie viele Stunden in jedem ihrer Werke stecken. (Während ich bei Test 1 nach knapp 2 Stunden schon ungeduldig wurde.) Für solche Werke braucht man definitiv VIEL Zeit! Und während ich – auch wenn ich die viele Arbeit der vielen Frauen bewundere – mir KEINE Korallenwand an die Wand hängen möchte: So eine Skulptur, die von der Decke hängt und sich bei Luftzug vielleicht sacht bewegt, könnte ich mir durchaus als Deko vorstellen. Die Zeit, die das verschlingt, vorausgesetzt.

Häkelkunst by Gabriele Meyer

Test 2: Start mit 100 Luftmaschen, zum Kreis geschlossen. Das heißt: In der ersten Reihe 100 Stäbchen, in der zweiten 200,… und in der sechsten Reihe werden es 3200 Stäbchen sein!!! Mein kleines Projekt kommt so unscheinbar daher, hat es aber in sich. Das habe ich zeitlich total unterschätzt: Für die zweite Reihe (200 Stäbchen) habe ich 20 Minuten gebraucht. Für die dritte Reihe (400 Stäbchen) 40 Minuten. Wenn ich das hochrechne und wirklich 6 Reihen häkle, werde ich noch rund 10 Stunden für die Fertigstellung brauchen. Das geht sich leider nicht mehr aus bis zum Veröffentlichungstermin dieses Beitrags heute Morgen.

Aber die größte Hürde habe ich bereits genommen: Ich habe aufgehört, darauf herumzudenken und habe das Projekt gestartet. Ich weiß grundsätzlich, wie es funktionieren kann. Und ich habe eine klare Vorstellung davon, wie lange ich bis zur Fertigstellung noch brauche. So eine Perspektive hilft mir normalerweise enorm, das Projekt auch fertigzustellen.

Geht’s dir auch so, bei deinen Projekten?


Das war mein dreidimensional-skulpturales Experiment für heute. Jetzt schaue ich zu unserer Gastgeberin Elvira, die alle Beiträge zu dreidimensional/skulptural sammelt und lasse mich von den Beiträgen der anderen Teilnehmerinnen inspirieren. Begleitest du mich?

Ende November treffen wir uns zur letzten Stoffspielerei in diesem Jahr bei Tyche zum Thema „zweiseitig-vielseitig“, auch ein sehr vielfältiges/vielseitiges Thema (pun intended).

Bis zum nächsten Termin werden wir uns auch Themen fürs kommende Jahr überlegt haben, denke ich.

Bis dahin hab einen tollen Herbst! Ich wünsche dir viel Zeit für lange Spaziergängen in diesem wunderbar goldenen Herbstlicht. Und falls es nicht sonnig ist: Nebel ist gut für den Teint.

Die Stoffspielereien

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Mach mit, trau dich, sei dabei! Die Stoffspielereien sind offen für alle, die mit Stoff und Garn etwas Neues probieren wollen. Lass dich vom monatlich vorgegebenen Thema inspirieren und zeig deine Ideen dazu.Es geht ums Experimentieren und nicht ums Perfektsein, denn gerade aus vermeintlich „misslungenen“ Experimenten können wir im Austausch jede Menge lernen.

Jeden letzten Sonntag im Monat sind die Stoffspielereien zu Gast bei einer anderen Bloggerin. Dabei kommen wir ohne Verlinkungstool aus: Schreib einfach einen Kommentar mit dem Link zu deinem Beitrag im jeweiligen Blogpost der Gastgeberin. Sie fügt die Links im Lauf des Tages in ihren Beitrag ein – ganz persönlich und individuell.

Machst du nächstes Mal mit?

Einen Überblick über die bisherigen Stoffspielereien, die schon seit 2012 laufen, findest Du auf stoffspielereien.net. Meine Beiträge zu den Stoffspielereien sind hier versammelt.

Die Stoffspielerei-Termine 2024

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13 Kommentare zu „Stoffspielereien im Oktober: hyperbolisch Häkeln“

  1. Erst jetzt bemerke ich, dass ich hier und noch nicht kommentiert habe ….. Wie ich dieser Tage als Antwort auf deine Mail geschrieben habe: irgendwie ist im Moment bei mir die Luft raus – offenbar auch beim Kommentieren.
    Nun aber:
    Solch ein Projekt ist ein irres Unterfangen; schön, dass du dich da herangewagt hast und uns das zeigen kannst. Ich erinnere mich jetzt, dass vor vielen Jahren eine Bekannte meiner Mutter Blumen gehäkelt hat, die wie Nelkenblüten aussahen und wahrscheinlich mit dieser Technik entstanden sind. Die großen Skulpturen der Künstlerin sehen ja toll aus.
    LG
    Beate

  2. Du hast dein Vorhaben ja tatsächlich begonnen, cool. Ich habe es ja noch nicht mal zu den ersten Versuchen geschafft. Geschweige denn, auch die seit Monaten feststehende Idee für diese Stoffspielerei überhaupt anzufangen. Jedenfalls schön, hier bei dir wieder in Erinnerungen an die wirklich tolle Ausstellung und den schönen Ausflug einzutauchen. Den TED-Talk kannte ich auch noch nicht, toll und immer noch aktuell. Jetzt bin ich gespannt, ob wir dann um Weihnachten rum bei euch zhaus von einem hyperbolischen Christbaum begrüßt werden.
    Liebe Grüße, heike

    1. Jedenfalls wirst du demnächst hier von einer kleinen Christbaumdeko begrüßt! Ich nutze die Zeit im Zug (in den Herbstferien mit meiner Tochter zu meiner Mutter fahrend, und wieder retour). In die letzte Reihe werde ich Perlen einhäkeln! Für ein bisschen Bling. Liebe Grüße, Gabi

  3. Liebe Gabi,
    das hab ich letztes Jahr auch gehäkelt! (Um meinen Schülern exponentielles Wachstum zu erklären…)
    Aber als Koralle gefällt es mir sehr gut – und die Ausstellung sieht ja sehr sehenswert aus. Und das über das Korallensterben informiert wird ist super – das ist so ein Jammer, wenn diese wunderschönen Orte kaputtgehen.
    Dir viel Freude beim Weiterhäkeln 😁
    Liebe Grüße
    Nanni

    1. Stimmt, du hattest das unlängst auch einmal gezeigt! Eine gute Einsatzmöglichkeit dieser Technik. Und obwohl ich grundsätzlich ein Verständnis von exponentiellem Wachstum habe, ist es doch faszinierend, es zu erleben. Bzw. ärgerlich? Unerwartet? Ich bin ungeduldig, es dauert schon lang. Liebe Grüße, Gabi

  4. Oh, ja, dieses hyperbolische Häkeln sieht spannend aus! Die girlandenähnlichen Skulpturen gefallen mir auch gut, sie erinnern mich an meine XXL-Volants. Danke, dass Du Deine Zeiterfahrungen mitgeteilt hast! Liebe Grüße!

  5. Ich bewundere Deinen Enthusiasmus zum eigenen Experiment für so ein schönes Gebilde. Mein Favorit ist das weiße von G. Mayer. Möglicherweise ist die Kunst-Skulptur aus festerem Baumwollgarn wie es für Kunststricken und -häkeln verwendet wird.
    Solche wollweichen Rüscheneffekte können für Schals, Tücher oder Kragengestaltung effektvoll sein.
    Die Ausstellung mit den Häkelkorallen war sicher original eindrucksvoll, danke für die Detaileindrücke. Vor einiger Zeit hatte ich mich an Häkelblumen in weiß versucht, ein überschaubares Projekt zum Garnreste aufräumen. Die halten lange und sind waschbar.
    LG Ute

  6. Liebe Gabi, diese Ausstellung war bestimmt überwältigend! Die gehäkelte Korallenwelt sieht faszinierend aus, aber auch ein wenig gruselig. Als Hinweis auf das Korallensterben finde ich die Ausstellung gut geeignet.
    Deine Häkelversuche sehen auch sehr vielversprechend aus, so einen dicht beschneiten Tannenbaum werden wir hier in unseren Breitengraden kaum noch finden.
    Ich habe vor vielen Jahren einen 2 Meter langen Schal nach der Hyperbololik-Methode gehäkelt, und zwar auch noch in Schlingenhäkelei! Wurde schön kuschelig, schluckte viel Wolle und brauchte unendlich viel Zeit! Und die Beschenkte hat den dann auch noch verloren, mitsamt den dazu gehörenden Fingerhandschuhen !
    Danke für Deine schönen Hinweise und das Zeigen Deiner Häkeleien, liebe Grüße von Tyche

  7. korallenwelt ist ja in grosser gefahr * und mit diese häkelarbeit es weltweit zu zeigen prima * habe schon solche ausstellungen gesehen * da kann die fantasie mit der wirklichkeit zusammenspielen * schôner häkelstyl um bald ein kleine kleine unterwasserwert mit wolle zu erfinden.
    liebe grüsse
    mo

  8. Eure Berichte aus Linz habe ich verfolgt, Einfach irre so etwas in dieser Dimension und den Zeitfaktor dafür kann man sich kaum ausmalen. Da stecken wohl viele Monate oder mehr drin. In mini habe ich so etwas für eine Zierkante mal gemacht, aber als Lampe z.B. wow! Gelernt habe ich heute, dass das auch noch einen Extranamen hat.
    Dein brauner Versuch wäre für mich andersfarbig schon eine Seeanemone. Nicht übel! Du hast auch sehr dicht gearbeitet, eine größere Nadel hätte es sein können, da kommt man auch etwas schneller voran.
    Wieder sehr spannend die Vielfältigkeit der Beiträge.
    Viele Grüße, Karen

  9. Aufgrund der Berichte von Heike und Silvia habe auch ich die Ausstellung in Linz besucht und vorneweg ein bißchen gehäkelt. Um schnell was zu sehen, habe ich in jede Masche zwei Neue gehäkelt. Das wird, wie du es so schön in Zahlen ausdrückst, irre schnell irre viel. Mir hat das sehr viel Spaß gemacht, ich fand es sehr entspannend, dazu einen spannenden Podcast, z.B. das Textilportal hören und Zeit war mir egal ;). Dein Link zu den filigranen Arbeiten von G Meyer ist toll, da habe ich direkt Lust gleich wieder los zu häkeln. Ich bin gespannt auf dein fertiges Werk. LG Gabi

  10. oh! ein tolles Projekt und eine wundervolle Korallenwelt. Da könnte ich auch einsteigen. Zeit und Geduld hätte ich. Ich stimme dir zu, die Grundkenntnisse speichern ist erstmal ausreichend, bis später der große Christbaum-Funke zündet. An die Fortsetzung nächstes Jahr habe ich auch schon gedacht. Bin gespannt.
    Liebe Grüße, Elvira

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