Kleine pixelige Quadrate
Eine für mich neue Technik habe ich gemeinsam mit der Tochter in den Ferien ausprobiert: Kleine Quadrate weben mit einem Mini-Webrahmen und einer Webnadel. Der LV-Buch Verlag hatte mir das Buch zur Rezension angeboten und ich dachte: Wunderbar! Das perfekte Projekt, um der Tochter und mir unsere langen österreichischen Sommerferien (9 Wochen!) zu verkürzen.
(Hinweis: Das Rezensionsexemplar wurde mir vom Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Meinung ist meine eigene.)
Das Buch ist aus schönem Papier, hart gebunden, stabil. Es fühlt sich haptisch gut an und hat unzählige, klare Fotos. Den Preis von derzeit knapp 17,- Euro finde ich für die Aufmachung angemessen.
Die Autorin handarbeitet seit ihrer frühen Kindheit, hat es von der Mutter und Großmutter gelernt. Sie ist als Textilkünstlerin und Designerin in Chile tätig. Spannend fand ich, dass es sich beim Weben mit dem Pin Loom um eine relativ alte Technik handelt, die in den 1930er-Jahren in den USA aber auch in Europa sehr beliebt war.
Das Buch verspricht, dass ein Quadrat (10×10 cm Seitenlänge) mit einfachem Muster in einer Viertelstunde gewebt ist. Außerdem könne man den kleinen Webrahmen (wie Strickzeug) auch für unterwegs mitnehmen und schnell mal zwischendurch weben.
Den Webrahmen basteln
Bevor man mit dem Weben anfangen kann, braucht man aber zunächst einen kleinen Webrahmen, und den zu besorgen bzw. zu basteln war für mich eine echte Hürde. (Das Buch traf nämlich eigentlich schon im Mai bei mir ein…) „Loom selber basteln und loslegen“ hat bei mir nicht so out-of-the-box funktioniert.
Die Autorin verwendet einen „Schacht Zoom“ Rahmen, den ich auch ab 39 $ + Versand in Online-Shops gefunden hätte. Das war mir aber ehrlich gesagt zu teuer als Investition in eine Technik, von der ich noch gar nicht sicher war, ob ich sie überhaupt mag. Aber es gibt ja im Buch eine Vorlage mit Anleitung zum Selberbauen eines Rahmens aus Holzleisten und Nägeln ohne Köpfe, oder als Einmal-Rahmen aus Styropor. Haken: Die Nägel ohne Köpfe besorgen sich nicht von selbst im Baumarkt, und auch Styropor hätte ich kaufen müssen. Und irgendwie bin ich nie zum Baumarkt gekommen.
Schließlich hat sich der Göttergatte meiner erbarmt und an einem Abend einen Webrahmen aus daheim vorhandenen Materialien gebastelt. Er hat dazu die im Buch abgedruckte Schablone zwei Mal aus einer dicken Sperrholzplatte ausgesägt und die vielen Löcher vorgebohrt. Dann hat er von der Rückseite einer Platte normale 2 cm lange Nägel eingeschlagen und die zweite Platte auf die Köpfe draufgeleimt. Und schließlich noch die Spitzen der Nägel mühsam abgefeilt, denn die sind ansonsten sehr spitz und man piekst sich laufend dran. (Falls wir noch einen zweiten Rahmen basteln, werde ich jedenfalls dünne, an den Enden abgerundete Stahlstifte besorgen und sie regulär einschlagen. Ganz sicher!)
Tipp: Wenn Du nicht selbst unheimlich gerne bastelst, schau am besten, dass du diesen Task an jemand anderen auslagern kannst. Oder beiß in den sauren Apfel und kaufe einen teuren fertigen Rahmen.
Unser Spitznagel-Rahmen jedenfalls ist ohne passendes Rundherum nur bedingt für den Transport und das Handarbeiten unterwegs geeignet. Zum Glück (und ohne das vorher ausgemessen zu haben) passt der Rahmen aber ganz exakt in eine vorhandene Brotdose, zusätzlich schützt ein Stück Schaumstoff auf den spitzen Nägeln die Dose vorm Verkratzen. So kann man das Teil sogar wirklich ganz gut mitnehmen.
Eine 15 cm lange Webnadel braucht man auch noch. Davon hatte ich allerdings drei zuhause, die der Sohn mal für die Schule benötigt hat. Diese Nadeln bekommt man in jedem gut sortierten Handarbeitsladen.
Der Aufbau des Buches
Das Buch ist in drei Teile gegliedert:
Im ersten Teil (ca. bis Seite 50) werden insgesamt 22 verschiedene zum Großteil sehr hübsche Webmuster vorgestellt und mit einer von der Autorin entwickelten Web-Schrift beschrieben. Beim Stricken oder auch beim Häkeln gibt es ja zwei prinzipiell unterschiedliche Systeme für die Vorlage, nämlich einerseits das Muster aufzuzählen (drei links, vier rechts,… zwei Stäbchen, vier feste Maschen,… in den USA beliebt) oder andererseits das Strickmuster mit Symbolen in einem Raster aufzuschreiben (im deutschsprachigen Raum beliebt). Die Autorin hat die amerikanische Art gewählt und zählt daher pro Reihe auf, wie viele Kettfäden man jeweils oben oder unten mit der Nadel fädeln muss. Mir war diese Notation zu unübersichtlich, ich bevorzuge das Raster, also habe ich mir das Webmuster auf Karopapier vorgezeichnet.
Dabei ist mir auch bewusst geworden, dass man eigentlich in dem Webraster (31×31 Kästchen) jedes beliebige zweifarbige Muster zeichnen könnte, und auf diese Weise z.B. auch Strickschriften oder andere gepixelte Vorlagen für das Weben vorbereiten könnte. Durchaus eine Überlegung wert.
Die Tochter (7 Jahre alt) war jedenfalls Feuer und Flamme und hat ihr Webprojekt sogar in die Sommerbetreuung mitgenommen. Das Weben selbst hat ihr keine Probleme bereitet, allerdings brauchte sie immer jemand zum Vorlesen des Musters (Freundin, Betreuerin, Großmutter, mich,…) weil die vorhandene Anleitung für sie zu unübersichtlich war.
In Teil zwei des Buches schließt eine Mustergalerie an (bis Seite 105), in dem die Muster aus Teil eins mit unterschiedlichen Garn- und Farbkombinationen ausgeführt gezeigt werden. Dieser Teil liest sich ein bisschen wie eine Werbeeinschaltung für Cascade Yarns, da ausschließlich Wolle dieser Firma in unterschiedlichen Qualitäten verwoben wurde. Zwar zeigt der Abschnitt ein bisschen auf, wie unterschiedlich ein- und dasselbe Muster mit unterschiedlichen Farbkombinationen wirken kann, aber wenn es nach mir ginge, könnte man diesen Teil auch weglassen. Er bringt nichts wesentlich Neues.
Im dritten Teil des Buches schließlich schlägt die Autorin einige Projekte vor, bei denen man die Quadrate zusammennäht. Bis auf Patchwork-Decke, Loop und Sitzkissen, die ich ganz hübsch finde, entsprechen die Vorschläge aber leider überhaupt nicht meinem Geschmack. (Ich kann mir natürlich trotzdem eigene Projekte überlegen.) Vielleicht liegt es daran, dass die sichtbaren Nähte, mit denen die einzelnen Fleckerl verbunden sind, manchmal schlampig wirken, und das gefällt mir nicht so sehr.
Fazit
Positive Aspekte:
- Die 22 verschiedenen, durchwegs hübschen Muster.
- Sowohl der Bau des Rahmens als auch das Aufspannen der Kettfäden und das Weben selbst ist sehr gut erklärt.
- Gut ist der Hinweis, dass man auch selbst Quadrate entwerfen kann. Ich denke es gehen im Prinzip alle pixeligen, zweifarbigen Motive, also könnte man auch Kreuzstickmuster, Strickmuster (vor allem Fair Isle und Doubleface), Häkelmuster etc. umsetzen. Das könnte reizvoll sein.
- Der Rahmen ist (mit entsprechender Verpackung drumherum) leicht mitzunehmen, ein Quadrat ist wirklich schnell mal zwischendurch gewebt.
- Einfachere Muster sind auch für Kinder gut umzusetzen.
Negative Aspekte:
- Das Basteln/ Besorgen des Rahmens kann sich zur Hürde entwickeln.
- Die Beschreibung mittels Aufzählung gefällt mir nicht so gut. Eine Web-Schrift im Raster würde mich mehr ansprechen. (Die man sich aber natürlich auch – mit einigem Aufwand – selbst zeichnen kann.)
- Der zweite und dritte Teil des Buches mit den gewebten Beispielen sowie den Projekten bringen für mich nicht viel zusätzlichen Nutzen.
Ihr merkt schon: Ich stehe diesem Buch mit gemischten Gefühlen gegenüber. Die Autorin hat sehr viel Mühe hineingesteckt, unzählige Quadrate vorbereitet, gute Fotos geschossen, sich Projekte überlegt. Das merkt man und das soll auch honoriert werden. Ich finde die Technik als Erweiterung, um meiner Pixel-Liebe auf noch einmal andere Weise nachgehen zu können, auch ganz interessant, aber sie hat mich nicht so gepackt, dass ich diese Technik dem Stricken, Häkeln oder Patchworken unbedingt vorziehen würde.
Also: „100 kreative Kombinationen und 15 stylische Projekte“, wie es der Untertitel verspricht, habe ich so nicht wirklich finden können. Für mich bleiben 22 durchwegs hübsche Muster als Essenz des Buches.
Ich könnte mir vorstellen, einzelne Quadrate als Glasuntersetzer zu nutzen. Dafür würde ich Sockenstop-Latex auf die Unterseite aufbringen, damit der Untersetzer nicht verrutscht. Auch gerne noch ausprobieren möchte ich, so einen Untersetzer aus einer Filzwolle zu fertigen und ihn dann in der Waschmaschine zu filzen. Überhaupt könnte vielleicht anschließendes Filzen einen gleichmäßigeren Effekt erzeugen.
Macht dieses Weben Spaß? Mir mäßig. Es kann ganz lustig für Zwischendurch und für kleinere Kinder sein, sofern man ihnen beim Lesen des Musters hilft. Aber ich sehe mich jetzt nicht ein größeres Projekt aus solchen Quadraten anfertigen.
Das Buch
Florencia Campus Correa:
Minis Weben mit dem Pin Loom. 100 kreative Kombinationen und 15 stylische Projekte.
LV-Buch, Münster 2016, 144 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3-7843-5411-8
Das Buch wurde mir vom Verlag für die Rezension kostenlos zur Verfügung gestellt. In meinen Rezensionen suche ich immer nach positiven und negativen Aspekten, um mir eine umfassende Meinung zu bilden und diese weiterzugeben. Die Rezension ist nicht vom Verlag beeinflusst.
Hallo ,
Wo kann man Bitte dieses Buch erhalten ?
Dankeschön !
Das Buch ist derzeit vergriffen, d.h. im normalen Buchhandel nicht mehr erhältlich, und man weiß auch nicht, ob der Verlag es einmal nachdrucken lässt. Bei vergriffenen Büchern schaue ich immer, ob ich sie gebraucht bekommen kann. Dafür ist meine Suchmaschine der Wahl eurobuch.de, weil diese Seite viele antiquarische Anbieter auf einmal durchsucht (also unter anderem Amazon, Ebay, bookfinder etc.) und man die Ergebnisse übersichtlich aufgelistet bekommt. Versuch es doch einmal dort. Liebe Grüße, Gabi
Jaquardweben für den Hausgebrauch, ganz schön kniffelig und man darf sich da nicht verzählen. Kann ich mir gut vorstellen, dass es zu zweit besser geht. Für solche große Projekte wie Schal etc., braucht es aber einen langen Atem.
verwebte Grüße, Karen
Stimmt, liebe Karen! Für einen Loop rechnet die Autorin 90 Quadrate (10×10 cm groß), für eine Decke 167. Da summieren sich die veranschlagten 15 Minuten pro Quadrat auch ganz schön.
Oha, finde ich ja mal interessant. Hört sich, hat man erst mal den Rahmen, nach recht schnellen Ergebnissen an. Danke für den Buchtipp, merk ich mir.
Lieben Gruß,
Petra
Hallo Petra, schön, dass Du hier einen Kommentar hinterlässt und fein, dass Dich der Buchtipp inspiriert! lg, Gabi
Liebe Gabi,
eine mir völlig fremde Technik… Mich würde vermutlich das Zusammennähen hinterher abhalten – deshalb häkle ich keine Grannys. Aber eure Versuche sehen schon vielversprechend aus. Habe Ihr Eure Quadrate zu einem Projekt zusammengefügt? Ich scheue auch schriftliche Anleitungen, Symbole kann ich besser – sind wir Europäer da so kulturell unterschiedlich geprägt?
Auf jeden Fall ein interessanter Bericht – wer weiß, was ich mal mit eventuellen Enkelinnen mache…
Liebe Grüße
Ines
Ja, ich kannte das auch nicht. Aber der Sohn muss wohl in der Volksschule gewebt haben, wieso hätten wir sonst die Nadeln gehabt? (Ich kann mich nicht mehr erinnern, wann wir diese Nadeln gekauft haben.) Das Zusammennähen der vielen Flecken… hätte wahrscheinlich eine ähnlich mediative Qualität wie so einige andere handwerkliche Tätigkeiten, von denen Du sagst, du seist für sie nicht geeignet. 😉
Wir haben zwei Testquadrate gemacht, aus denen bisher noch nichts Weiteres entstanden ist. Wenn die Tochter möchte, könnte ich die Teile zu einer kleinen TaTüTa (Taschentüchertasche) zusammennähen und füttern. Ich frag sie mal. Sie hat dann die Lust verloren und ist derzeit eher wieder mit der Produktion unzähliger Armbänder mittels Kumihimo (japanische Kordel-Flecht-Technik) beschäftigt.
Haha, mit den Enkelinnen! Ja, ich verschiebe diese Technik auch eher auf meine Zeit in der Pension. 🙂 lg, Gabi