Lange und kurze Stiche
Im Februar hat sich Christiane vom Blog Schnitt für Schnitt als Gastgeberin der Stoffspielereien das Thema „Farbverlauf“ ausgesucht. Ich wollte schon ewig einmal die „long and short stitch“ Methode für gestickte Farbverläufe ausprobieren.
Bei „long & short stitch“ geht es darum, möglichst fließende Übergänge und Schattierungen zu erzielen. Die Methode wird häufig für natürliche Motive wie Blätter, Blumen oder Tiere verwendet.
Im Prinzip stickt man lange und kürzere Stiche und erzeugt durch die Überlappung der einzelnen, von dunkel nach hell gradierten Farben den Anschein eines Farbverlaufes. Die einzelnen Stiche werden dabei nicht nur parallel nebeneinander gesetzt, sondern man soll auch auch durch die Fäden der Vorreihe durch stechen, spaltet also die Fäden der Vorreihe und erzielt so einen fließenderen Übergang.
Ich hatte immer so einen Heidenrespekt vor diesem long and short stitch! Es gibt solche Künstlerinnen in dieser Technik, das ist dann echte Nadelmalerei, wunderschön. (Weiter unten zeige ich Beispiele von bestickter Kleidung aus dem Spitzenmuseum in Burano.)
Die von mir so sehr geschätzte Mary Corbet hat schon vor einigen Jahre einen Kurs zusammengestellt (in Englisch), in dem man sich anhand eines Samplers Schritt für Schritt vorarbeiten und das Schattieren üben kann. Die einzelnen Lektionen sind – wie von Mary gewohnt – sehr ausführlich beschrieben und bebildert, auch anschauliche Videos gibt es. (Kostenloses Material im Umfang von mehreren Stunden.)
Fürs Sticken ist sechsfädiges Baumwollgarn jeder Marke (DMC, Anchor,…) geeignet. Mary arbeitet mit einem einzelnen Faden des sechsfädigen Garns. Gestickt wird auf einem möglichst dicht gewebten Baumwollstoff, der in einem Stickrahmen straff gespannt wird.
Von den Glockenblumen und Kornblumen meiner Blumenkranz-Tischdecke hatte ich noch mehrere eng nebeneinander liegende Blautöne übrig (Anchor Nr. 797-800, dazu ein noch helleres Hellblau). Je feiner abgestuft die Farben sind, desto natürlicher wirkt später der Farbverlauf.
Man beginnt mit einer Reihe „split stitch“ am oberen Rand, um einen schön geraden Abschluss der oberen Kante zu erreichen. Über diese Linie stickt man die ersten paar langen senkrechten Stiche, die die Richtung für die weiteren Stiche vorgeben.
Und dann geht es „einfach“ damit weiter, die Stiche unterschiedlich lang (kürzer und länger) zu sticken. Wichtig dabei ist, dass man die einzelnen Stiche sehr dicht nebeneinander setzt und den Faden etwas locker lässt (nicht zu straff spannen), damit der obere Rand schön gerade bleibt. Ich habe zu Beginn zu sehr gespannt.
Mit der zweiten Reihe geht man mit mit den langen Stichen ca. ein Drittel in die vorhergehende Farbe, teilweise auch weiter hinauf, und hält die Stiche am unteren Ende wieder unregelmäßig länger und kürzer.
(Die dunkelblauen Pünktchen sind die Stellen, wo die Fadenenden mit minimalen Stichen fixiert wurden.)
Nachdem ich meine Ehrfurcht vor dieser ehrwürdigen Technik – dank Marys toller Erklärungen und Videos – überwunden hatte, kam ich ziemlich gut zurecht und auch voran.
Bei den vielen parallelen Stichelchen kam ich richtig in einen Flow, die Zeit verging Stich für Stich sehr schnell. An dem ersten kleinen Quadrätelchen von ca. 2×2 cm habe ich ca. eineinhalb Stunden gestickt… Nichts für ungeduldige Menschen, würde ich sagen, aber eine Übung in „der Weg ist das Ziel“ für jene, die sich die Zeit nehmen wollen.
Ich darf gar nicht nachdenken, wie lang an so einem Männerrock oder Gilet gestickt wurde wie denen, die ich im Herbst 2014 im „Museo del Merletto“ auf der Insel Burano bei Venedig gesehen habe!? (Wie gut, dass unsere Männer heutzutage nicht auf so reich bestickter Kleidung bestehen. 😉 )
Für meinen allerersten Versuch mit dieser Methode bin ich mit meinem Ergebnis aber zufrieden! Ich werde weiter am Sampler arbeiten und ein paar von den nächsten Nadelbriefchen-Themen dazu verwenden, weiter zu üben.
Beim nächste Versuch werde ich aber darauf achten, dass ich die dunkelsten Farbe breiter anlege: Hier ist der dunkelste Streifen für meinen Geschmack doch sehr schmal geworden.
Diesmal haben die Teilnehmerinnen der Stoffspielereien sehr viel gefärbt, gequiltet und gestickt! Das reiche Potpourri verschiedener Techniken und wunderbarer Inspiration findet Ihr bei unserer heutigen Gastgeberin Christiane. Danke für das tolle Thema!
Nächstes Mal treffen wir uns am 31. März bei Karen zum Thema „Geometrie“.
Bis dann!
Die Stoffspielereien
Mach mit, trau Dich! Ja, auch Du! Die Stoffspielerei ist offen für alle, die mit Stoff und Fäden etwas Neues probieren möchten. Es geht einfach ums Experimentieren. Das Ergebnis muss überhaupt nicht perfekt sein, denn auch aus „misslungenen“ Experimenten kann man im gegenseitigen Austausch eine Menge lernen. Lass Dich einfach vom monatlich vorgegebenen Thema anspornen und inspirieren, und zeig uns Dein Ergebnis.
Jeden letzten Sonntag im Monat ist die Stoffspielerei bei einer anderen Gastgeberin, auf einem anderen Blog zu Gast. Wir kommen ohne Verlinkungstool aus: Schreib einfach einen Kommentar mit dem Link zu Deinem Beitrag im jeweiligen Blogpost der Gastgeberin. Sie fügt die Links im Lauf des Tages in ihren Beitrag ein.
Bist Du nächstes Mal auch dabei?
Die nächsten Termine:
31.03.2019: „Geometrie“ bei Feuerwerk by Kaze
Einen Überblick über die bisherigen Stoffspielereien, die schon seit 2012 laufen, findest Du auf stoffspielereien.net. Meine Beiträge zu den Stoffspielereien sind hier versammelt.
Pingback: {Nadelbrief} Woche 10: Farbverlauf - made with Blümchen
Liebe Gabi,
die Technik kannte ich noch gar nicht, aber so betrachtet ist sie eigentlich ganz logisch. Ich finde Du hast das gut hinbekommen mit Deinem Quadrat und kann mir eine Kornblume mit diesen Farben wirklich gut vorstellen Wenn Du eine natürliche Form wählst, wirkt das Ganze sicher noch organsicher. Da freu ich mich schon drauf, wenn Du die Technik noch verfeinerst.
LG Mareike
Was für ein schönes Stück von Dir, sticken dauert so lange. Die alten Stickereen auf den Westen oder Gehröcken sind auch Kunstwerke. Venedig war wirklich sehr reich und Prunk zur Schau stellen wichtig und normal. Schöner als ein teures Handy!
Liebe Grüße
Nina
Du hast so Recht, liebe Nina! Venedig ist unter anderem durch die feinen Nadelspitzen von der Insel Burano so reich geworden, und die Kleidung – echte Kunst. Heutzutage wird sowas nur mehr in der Haute Couture hergestellt – und da von Betrieben in Indien, die vorwiegend Männer als Sticker beschäftigen. Darüber gab’s mal eine sehr spannende Dokumentation auf Arte. Als Ottilie Normalverbraucherin kann ich mir sowas gar nicht leisten. Höchstens viiiiiel Zeit investieren und selber sticken. 😉 lg, Gabi
Liebe Gabi,
den Farbverlauf hast Du superschön hinbekommen. Und Du hast ja noch einiges vor, wenn Du alle Flächen des Samplers aussticken willst. Aber ich stelle mir das als wunderschöne Stickerei zum Aufhängen vor.
Liebe Grüße
Ines
Ja, den Sampler werde ich nach und nach zum Üben verwenden, zwischendurch immer wieder einmal. Was ich dann damit mache, schleierhaft. (Aufhängen glaub ich eher nicht…) Vielleicht näh ich draus Nadelbriefchen… 😉 lg, Gabi
Danke für das Erklären dieser tollen Technik, den Effekt finde ich wirklich fabelhaft und vor meinen Augen ist sofort das innere eines Krokus entstanden, in den ich vorhin hineingeguckt habe. Und ich finde es ist dir auf Anhieb toll gelungen, ich bin gespannt wie es weitergeht! LG Ingrid
Super Assoziation, Ingrid! Und genau an Krokus habe ich auch schon gedacht. Rate mal, was ich mir zum Thema „Frühlingserwachen“ vorgenommen habe 🙂 lg, Gabi
Dann freue ich mich schon darauf ihn zu sehen … LG Ingrid
Wie schön, dass du doch noch die Zeit für diese Stickerei gefunden hast – das Ergebnis ist sehr hübsch geworden! Auch wenn es lange dauert, wegen des schöne Farbverlaufs hat es sich gelohnt…
Danke für dieses kleine Tutorial, liebe Gabi, ich mag solche Stickereien sehr und der gezeigte Männerrock… ein Traum, wie viele Stunden Arbeit da wohl drin stecken?
Liebe Grüße an Dich von Katrin
Wunderbar in der FArbwirkung, das finde ich unglaublich schön! Für Stickereien bin ich wirklich zu ungeduldig, da geht ja gefühlt gar nichts voran 😉 Umso mehr bewundere ich alle die so schöne Stickerein hinbekommen! LG Kuestensocke
Ach, das ist ja toll, dass ich diese Sticktechnik bei dir sehe und auch noch so schön erklärt bekomme. Etwas Ähnliches habe ich gerade auch gemacht, aber ohne zu wissen, wie es heißt und wie man genau vorgeht. Du hast einen sehr schönen Farbverlauf hinbekommen und da du ja gerne stickst, kann ich mir vorstellen, das einmal auf einem Kleidungsstück zu sehen.
LG
Siebensachen
Eine schöne Inspiration, scheint gar nicht so schwer zu sein. Man benötigt einfach eine Anwendung bzw. Fläche und etwas Zeit.
LG Ute
Super! Das sieht gut aus, wie die Farben ineinanderlaufen. Etwas sehr ähnliches habe ich für den Nadelbrief vor nächste Woche 🙂 Ich finde auch erstaunlich, wie lange früher etwas gedauert haben muss und wie nahezu selbstverständlich STickereien auf Kleidung früher war! Heute wäre mir das zu überladen, aber bewundernswert finde ich es schon. LG. Susanne
Wunderbar, wie sich aus dieser Technik so eine Art Ineinanderlaufen der Farben realisieren lässt! Gefällt mir gut. Und ideal zum Entschleunigen 🙂 Liebe Grüße Christiane
Ein sehr schönes Ergebenis und diese Art kann mir ich auch auf Bekleidung vorstellen, total modern!
viele Grüße, Karen
Liebe Karen, wie meinst du: Auf Bekleidung? Das Stückchen ist 2×2 cm groß, an Bekleidung würde man denke ich Jahre sitzen. Ob ich so viel Geduld aufbringe, weiß ich nicht… lg, Gabi
in kleinen Dosen, z.B. an der Kragenpitze einer Bluse oder die Ecke einer Tasche.