Tellerrock „Coquelicot“, Weite verstellbar

Ein Rock aus einigen Metern Leinenstoff. Ein Rock mit unheimlich großen Taschenbeuteln. Ein Rock, der sich wunderbar dreht. So einen Rock habe ich mir vor Kurzem genäht.

In den letzten Monaten habe ich nicht viel Kleidung produziert. Erstens haben sich die Schwerpunkte meiner Werkeleien aufs Sticken, aber auch Spinnen und Weben verlagert. (Über die ich zugegebenermaßen noch nicht viel berichtet habe, hier am Blog, ich weiß.) Zweitens ist mein Kleiderschrank gut bestückt mit selbst genähter Kleidung und dem einen oder anderen Second Hand Fund. Und drittens baue ich durch eine Ernährungsumstellung und viel Sport gerade mein postmenopausales Bäuchlein ab, wodurch mir manches Kleidungsstück zu weit wird.

Also werde ich nicht ausgerechnet jetzt etwas nähen, das mir – in die eine oder andere Richtung – in ein paar Monaten nicht mehr passt! Außer das Kleidungsstück passt sich in der einen oder anderen Weise MIR an.

Schon immer habe ich lange, weite, schwingende Röcke geliebt, aber kaum je welche getragen. Aber als ich kurz vor Ostern – im Flixbus auf der laaaangen Rückfahrt von Paris nach Graz – meine gespeicherten Youtube-Videos eines nach dem anderen anschaute, tauchte ein Video über die Geschichte anpassbarer Kleidung (Hosen/Röcke) wieder auf. Die gab es nämlich immer wieder in der Geschichte, weil Stoff sehr teuer war und Kleidungsstücke lange – manchmal über Generationen – halten mussten.

Die Youtuberin beendet ihr Video mit dem Wunsch: „May all your clothing be comfortable and all your pockets be giant“, und verweist auf ein kanadisches Indie Schnittmuster, den „Coquelicot“ Rock. (Coquelicot ist Französisch und bedeutet „Mohn“, wie die Blume.)

Der Clou bei dem Schnittmuster ist, dass der Rock aus einem Hinterrock und einem Vorderrock besteht, die an unten an den Seitennähten verbunden sind. Also oben – im Bund – grundsätzlich offen und verstellbar, aber unten – im Unterschied zu so manchem Wickelrock – geschlossen. Man steht also nie „im Freien“.

Der Coquelicot Rock wird vorne geschnürt. Links und rechts davon: Zwei riesige Beuteltaschen!

Der Rock beherbergt zwei gigantische Beuteltaschen nach mittelalterlichem Vorbild, die unter dem weiten Rock nicht auftragen, sowie ein Schnürungs-System, durch das man die Taillenweite um ca. 20 cm +/- verändern kann. Der Vorderrock wird wie eine Schürze darüber gebunden, wahlweise hinten oder vorne mit einer Schleife (die Länge der Bänder kann man variieren), oder wenn man möchte, auch seitlich mit Schnallen.

Ich war so begeistert, dass ich mir innerhalb weniger Tage nach Ostern diesen doch relativ aufwändigen Rock nähen musste. Unter anderem, damit ich ihn beim Schneiderei-Markt in Wien ausführen und testen konnte, und Heike Fotos im Garten der Orangerie vom Schloss Schönbrunn von mir machen konnte. 🙂

Drehen…
und Drehen…
und Drehen…
Und Drehen…

Meine Tochter meinte zu Hause, als ich den Rock stolz vorführte: „Darf ich mal probieren? Der ist aber schwer!“ Und das ist er: In dem Tellerrock habe ich gut 4,5 Meter (140 cm breit) eines dunkelblauen Leinenstoffes verarbeitet, von dem ich mal um sehr kleines Geld 10 Meter bei der Auflösung eines Handarbeitsgeschäftes erworben hatte. Leinen ist einfach um einiges schwerer als Baumwolle. Aber das satte Tintenblau auch sooo schön! (Im Schnittmuster enthalten wäre auch eine stoffsparende Variante mit Halbkreis statt Tellerrock.)

Das Schnittmuster ist knielang vorgesehen – ich habe um ca. 20 cm verlängert. Dadurch konnte ich aber nicht mehr im Bruch zuschneiden und alles hat ziemlich lang gedauert. Die (englische) Anleitung ist gut bebildert und verständlich, und hat mir keine Probleme bereitet.

Nach 24 Stunden aushängen kann man den Saum des Rockes kürzen. Meine Schneiderpuppe hat eine praktische Vorrichtung zum Markieren der Saumlinie mit Stecknadeln.

Es wird in der Anleitung empfohlen, den Rock vor dem Säumen mindestens 24 Stunden auf einem Kleiderbügel oder einer Schneiderpuppe aushängen zu lassen, und dann erst den Saum auf die richtige Länge zu kürzen. Das war ein wertvoller Tipp, weil die teilweise im schrägen Fadenlauf zugeschnittenen Rockteile an manchen Stellen wirklich um 5 cm länger geworden sind. Die 8 Meter Saumlänge des Tellerrocks habe ich mit der Maschine genäht und mit einem Webband versäubert.

Beim Probetragen an dem Wochenende beim Schneiderei-Markt hat der Rock sich bewährt: Der Tragekomfort, und vor allem die riesigen Taschenbeutel!

Die Bluse, die ich dazu trage, ist immer noch meine Lieblings-Sommerbluse von 2017, ein selbst zusammengestoppelter Schnitt. Darunter (weil es am Wochenende nach Ostern noch recht kühl war) trage ich eine kurze Leggings nach einem Schnitt von Pattydoo. Sonst hätte ich mich wahrscheinlich nicht in aller Öffentlichkeit wie ein kleines Mädchen mit hoch schwingendem Rock gedreht. 🙂

Ich habe extrem große Lust, mir für den Sommer dieses Modell noch einmal aus einer alten Bettwäsche (Baumwollstoff) zu nähen, und für den Winter aus einem karierten Wollstoff. Aus Wolle wäre bei dem Stoffverbrauch halt wirklich arg teuer, außer ich finde wieder einen guten Schnäppchen-Stoff. Aber soooo schöööön!

Damit reihe ich mich gerne beim MeMadeMittwoch ein, Laufsteg gut gekleideter, selbst benähter Frauen. Bin gespannt, ob es heute schon sommerlich zugeht.

Das ist drin

  • Schnitt/ Anleitung: Coquelicot Skirt von Wildflower Design (selbst gekauft)
  • Änderungen: Rocklänge um 20 cm verlängert. Ich habe die Variante mit vollem Tellerrock und langen Bindebändern gewählt.
  • Material: ca. 4,5 Meter sehr günstiger, dunkelblauer Leinenstoff aus einer Geschäftsauflösung
  • Kosten: rund 45,- Euro
  • Werkzeug: Nähmaschine, Overlock
  • Arbeitszeit: 14 Stunden; davon 6 Stunden Schnittmuster kleben, ändern, und alles einlagig zuschneiden.
  • Fazit: Ich liiiiebe diesen Rock, und ich liebe die Taschen. Ich möchte mehr solche bequeme, weite Röcke mit Stauraum.

Verlinkt bei

Me Made Mittwoch

UND: Es gibt ein weiteres Feld im BINGO: Dieser Rock ist doch eindeutig für mich gemacht.

Mein komplettes Bingofeld mit allen Projektlinks findest du hier: Antetannis Bingo! 2025

10 Kommentare zu „Tellerrock „Coquelicot“, Weite verstellbar“

  1. Vielen Dank für den tollen Bericht, ich werde mir beiden Tipps ansehen, da ich aktuell auch dringend Bedarf für verstellbare Kleidung habe. Das Video wird gespeichert und deinen Rock bewundere ich noch ein bisschen 🙂
    Grüße, Tina

  2. Sehr cool, erst dachte ich, es sei ein Rock mit einer Schürze, ich liebe weite Röcke auch sehr und finde sie total bequem, nur mit dem Radeln muss man immer etwas aufpassen. Eine Flixbusfahrt von Graz nach Paris, omg, meine Hochachtung, lg Anja

    1. Der Flixbus Graz-Paris-Graz war aus der Not geboren, weil Flüge zu teuer (und ethisch nicht korrekt), alle Nachtzüge ausgebucht und ebenfalls zu teuer. Und ich dachte: Für DIESE Summe, die wir uns ersparen, nehme ich gerne zwei schlaflose Nächte in Kauf. Es war dann besser als befürchtet, aber Nachtzug hab ich definitiv lieber.
      Ich habe das Radfahren mit diesem Rock noch nicht ausprobiert. Mein Rad besitzt allerdings einen Rockschutz am Hinterrad. Wenn der Saum nicht in die Kette kommt, könnte das mit dem Radfahren funktionieren. Sonst muss ich den Rock irgendwie hochbinden. Es findet sich ein Weg. Liebe Grüße, Gabi

  3. Na der hat ja ordentlich Weite und schwingt super.
    Ich gestehe, dass mir das, insbesondere beim Sitzen, immer zuviel Stoff ist. Obwohl schön finde ich ihn schon und du sagst ja, dass es auch einen halben Tellerrock gibt.
    Was mich noch interessieren würde ist, was du genau gegen dein postmenopausales Bäuchlein tust. Der hat sich nämlich auch bei mir angesiedelt.

    Gruß Marion

    1. Gegen das Bäuchlein: Es wird kleiner, wenn man mehr Kalorien verbraucht, als man zu sich nimmt. Eigentlich eine ganz einfache Rechnung, aber oh so schwer umzusetzen! Das heißt: Ich achte darauf, was ich zu mir nehme, und nehme mir gleichzeitig ganz bewusst mehr Zeit für mehr Bewegung. Bei den 3 Hauptmahlzeiten beachte ich die Regel: 1 Teller Essen = 1/2 Teller Gemüse, 1/4 Teller Kohlehydrate, 1/4 Teller Eiweiß. Streckenweise tracke ich die Mahlzeiten mit der App Yazio mit. Allein mir bewusst zu machen, was ich sonst so zwischendurch, nebenbei gefuttert oder Kalorienreiches getrunken habe, hilft enorm. Und von wegen Sport gehe ich seit beinahe drei Jahren dreimal die Woche morgens Joggen, dazu seit Kurzem 1x die Woche Cardio intensiv. Und nachdem Essen und Cardio inzwischen ganz gut eingespielt sind, wird noch ein bisschen Krafttraining dazu kommen (müssen). Dazu konnte ich mich bisher noch nie motivieren. Aber ich habe in den letzten Monaten viele Videos übers Altern angeschaut, und schön langsam sickert die Erkenntnis, dass ich weniger Gewicht und mehr Kraft haben möchte. Wenn ich auch noch mit 70 mit dem Tellerrock über die Wiese wirbeln möchte, oder mit meinem Mann übers Tanzparket, dann muss ich JETZT etwas dafür tun. Liebe Grüße, Gabi

  4. Erstens: wunderbare Fotos von Dir auf der Wiese!
    Zweitens: genialer, schicker Rock!
    Ich habe recht lange einen bodenlangen, indischen Rock meiner Mutter mit dieser Bindetechnik gehabt, genial! Noch viel besser zum Tragen als Wickelröcke. Und wunderbare, dass Du so schönes Leinen dafür bekommen hast. Ja, Leinen ist etwas schwerer, aber trotzdem viel angenehmer im Tragelkompfort, besonders im Sommer.
    Eine wunderschöne Näharbeit, welche Du viel tragen wirst, da bin ich mir sicher.
    Liebe Grüße gen Süden
    Nina

    1. Dankeschön für das Kompliment! Ja, die Bindetechnik gibt es schon lange, und überall auf der Welt. Nur ist sie in unserer heutigen Kleidung wenig verbreitet. Der Rock ist sehr bequem und sehr praktisch mit den großen Taschen. Radfahren muss ich noch ausprobieren. Wenn er auch das kann, dann ist er perfekt! Liebe Grüße, Gabi

  5. Oh wow! So schön und praktisch. Würde ich Röcke tragen, wär ich sofort am Stoff suchen… Alte Bettwäsche ist auf jeden Fall ne gute Wahl. Hält ewig und ist günstig zu finden. Viel Spaß und Erfolg bei den weiteren Modellen! LG Eva

    1. Dankeschön! Alte Bettwäsche hätte auch den Vorteil, dass sie leichter ist, und dass ich null Probleme damit hätte, sie auch z.b. umzufärben. Kreative Spielwiese, sozusagen.
      Meistens trage ich Hosen (Jeans), aber bei Tellerröcken werde ich schwach. 🙂
      Liebe Grüße, Gabi

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