Strickjacke „Paula Sandnes“ mit Norwegermuster

Mein großes Strickprojekt aus dem Herbst 2024: Eine Strickjacke mit Norwegermuster aus einer deutschen regionalen Schafwolle. Hab ich im Herbst recht schnell gestrickt, denn ich wollte sie auf der schwäbischen Alb ausführen und fotografieren. Ist mir gelungen. 😍

Dieses Strickprojekt ist eng verbunden mit meinem Interesse und – seit 2024 auch meinem aktiven Einsatz – für regionale europäische Wollen. Das Strickmuster Telemark No 5 von Sandnes (einem norwegischen Hersteller von Strickgarnen) hatte ich bereits im Dezember 2021 auf Ravelry entdeckt, mich in das Muster verliebt und als zukünftiges Projekt abgespeichert. Als im Dezember 2023 die Wanderschäferei Paula & Konsorten den Verkauf einer neuen Charge ihrer Strickgarne aus der Wolle der eigenen Merino-Landschafe startete, habe ich zugeschlagen. Sie boten wunderschöne, pflanzengefärbte Farbtöne an, darunter ein Naturweiß und ein sattes, perfekt für diese Jacke geeignetes Dunkelrot. Wunderschön!

Die Lieferung von Paulas Wolle

Zwei Hürden musste ich anfangs überwinden:

Erstens, dass man die von Sandnes Garne herausgegebenen Anleitungen nicht einfach einzeln kaufen kann. Diese Anleitungen bekommt man nur beim Kauf eines Sandnes Garnes. Oder wenn man ein Wollgeschäft findet, das eine ältere Sandnes Musterzeitschrift besitzt und bereit ist, einem die Anleitung auszuborgen. Ich habe mehrere Wollgeschäfte kontaktiert. Zum Glück hatte @wolle_und_staune aus Tirol die Anleitung noch auf Lager und hat mir ausgeholfen. Vielen Dank!

Zweitens: Auf der Banderole stand „kann beim ersten Waschen ausbluten“, aber die Färbung war so gesättigt, dass auch nach mehrmaligem Waschen immer noch Farbe rausgegangen ist. Ich habe in den Weihnachtsferien 2023/24 die Wollstränge drei Mal vorsichtig mit Woll-Waschmittel gewaschen, jeweils zwei Mal gespült und geschleudert, erst dann war das Spülwasser kaum mehr rosa. Es war gut, dass ich das gemacht habe, denn auch wenn ich diese Jacke aus 100% Merino Landschaf von der Schwäbischen Alb nur äußerst selten waschen werde (lüften reicht für gewöhnlich), möchte ich dann kein rot-rosa Muster statt eines rot-weißen Musters auf meiner Jacke haben.

Beim Stricken war der Weg des Fadens dann auf meinem Finger rot gefärbt… Also immer noch etwas zu rot. Aber nachdem ich – wie gesagt – nicht vorhabe, diese Jacke häufig zu waschen (oder überhaupt), wird sich das weitere Ausbluten hoffentlich in Grenzen halten.

Erfahrungsgemäß stricke ich eher fest. (Auch daher der rote Weg der Wolle auf meinen Fingern…) Weil es mir bei meinen vorangegangenen Strickprojekten regelmäßig passiert ist, dass das fertige Strickstück trotz Maschenprobe im Endeffekt zu klein war, habe ich bei dieser Jacke mich nach der Maschenprobe dazu entschieden, gleich eine Größe größer zu stricken. Denn diese aufwändige Jacke wollte (und will) ich ganz sicher NICHT wieder auftrennen.

Das hat dann dazu geführt, dass die Jacke von vorne – und vor allem in den Musterpartien an den Schultern und an der Hüfte sehr gut sitzt, weil ich das Norwegermuster enger bzw. etwas ZU eng gestrickt habe. Nämlich: Beim zweifarbigen Stricken muss ich immer extrem aufpassen, dass ich die „Spannfäden“ auf der Rückseite ausreichend locker lasse. Das gelingt mir nicht immer, aber immer besser.

Im Gegensatz dazu war am Rumpf – vor allem im Rücken – zu viel Material vorhanden. Auftrennen und noch einmal kleiner Stricken kam bei dieser Jacke mit dem aufwändigen Muster diesmal nicht in Frage. Die Lösung: Umdenken.

Bei dieser Jacke ist vorgesehen, sie in Runden zu stricken und dann vorne aufzuschneiden (Fachbegriff: „steeken“), um eine Knopfleiste oder einen Reißverschluss einzufügen. Ich war ziemlich nervös vor meinem ersten Mal „steeken“. Ich habe noch nie zuvor ein Strickstück auseinander geschnitten! Aber es war einfacher als gedacht: Ich habe das selbst fabrizierte Gestrick einfach wie einen gekauften Strickstoff behandelt, bei dem es mir leicht fallen würde, ein Schnittmusterteil zuzuschneiden.

Vor dem Auseinanderschneiden beim „Steeken“ wird empfohlen, das Gestrick links und rechts der Schnittkante (die ich während des Strickens mit weißem Faden laufend markiert habe) abzunähen, damit der Strickstoff sich nicht an der Kante auflöst. Meine Nähmaschine hat den recht festen Strickstoff gut transportiert, das war gar kein Problem. Es ist auch hilfreich, wenn das Garn etwas „Griff“ hat, also robuster ist oder sogar etwas filzt. Mit sehr feinen und glatten Garnen funktioniert das Steeken nicht so gut. Aber gerade regionale, robustere Garne wie das, was ich hier verwendet habe, eignen sich hervorragend dafür!

Ich habe die Schnittkanten dann noch mit der Overlock eingefasst und einen Reißverschluss eingenäht, den ich in der exakt richtigen Länge in meinem Fachgeschäft des Vertrauens, beim „Hirt“ in Graz, bestellt hatte. Das Nahtband habe ich bei der Juni-Reise in die Schweiz bei Offcut in Bern gefunden, das ist ein toller Second Hand Materialmarkt. Die Öffnungen unter den Armen habe ich mit Maschenstich geschlossen.

Mit Maschenstich geschlossen, sieht man gar nicht, dass da man eine Öffnung unter dem Arm war.

Dann kamen noch die Anpassungen: Für die Abnäher an den Seiten und im Rücken habe ich mich wieder an meinem Lieblings-Schnittmuster für sportliche Jacken, der jErika orientiert. Und weil ich ja das Strickstück mental als „das ist nur Strickstoff“ definiert hatte, war es auch einfach, an den Seiten und im Rücken Material abzunähen.

Außerdem wollte ich eine Kapuze an der Jacke und habe mich am Strickmuster „Aidenried“ orientiert. Mit einem anderen Garn werde ich bald eine „Aidenried“ Jacke stricken.

Mit dem ganzen Projekt habe ich mich sehr beeilt: Am 21. September gestartet und bereits am 7. November beendet, weil ich die Weste unbedingt auf der Schwäbischen Alb tragen und fotografieren konnte, von wo die Wolle stammt!

Anfang November bin ich nämlich zur Veranstaltung „Volle Wolle“ ins Biosphärengebiet Schwäbische Alb in Münsingen gefahren, um dort an einem Treffen zur verbesserten Verwertung regionaler Schafwolle teilzunehmen. Es ist voll schön zu wissen, dass wir mit dem AUTwool Projekt Teil einer Bewegung sind, in der sich viele Menschen in ganz Europa dafür einsetzen, dass heimischer Schafwolle wieder mehr Wert gegeben wird! Wo auch immer „heimisch“ jeweils ist: Auf der Schwäbischen Alb, in Thüringen, im Wendland, in der Schweiz, in Tirol oder in der Steiermark, in Norwegen, Frankreich, Portugal oder Island. 🐑

Seitdem habe ich meine rote Jacke mit Norwegermuster schon extrem viel getragen. Auch bei relativ großer Kälte, mit einer zweiten Fleece-Jacke drüber, und meiner eigenen AUTwool #WollWeste2024 darüber, wie hier am Weihnachtsmarkt in Graz.

Ich mag die Kombi total gern! Und werde die Jacke tragen, bis es im Frühjahr zu warm dafür ist. Dann stecke ich sie in einen Ziplock-Beutel, und den für ein paar Tage in den Tiefkühler, und so vorbereitet zum über-sommern in den Schrank. Ein Strickprojekt, das ich SICHER NICHT mehr auftrennen werde. Wer hätte das gedacht, dass ich das einmal behaupten kann? 😎 😂

Das ist drin

  • Schnitt/ Anleitung: Strickmuster Telemark No 5 von Sandnes Garn. Gestrickt in Größe L (wobei M wahrscheinlich doch gereicht hätte…)
  • Änderungen: Abnäher seitlich und im Rücken eingefügt; Kapuze hinzugefügt, die nicht vorgesehen war. Ich werde auch noch nachträglich Nahttaschen einbauen.
  • Material: 5 Stränge (500g) in Rot (4M) und 1 Strang (100g) in Weiß (0M) Merino Landschaf Wolle von der Schwäbischen Alb, aus der Charge vom Dezember 2023, von der Wanderschäferei Paula & Konsorten . Der Online-Shop ist derzeit (Dezember 2024) geschlossen, die Wolle kann nicht (nach-)bestellt werden.
  • Verbrauch: Ich habe alles bis auf 63 g Rot und 41 g Weiß verstrickt, bin also gut mit der Menge ausgekommen. Die Reste habe ich zu Julekuler (Weihnachtskugeln) verstrickt.
  • Kosten: 92,- Euro für die Wolle, 6,- Euro für den individuell angefertigen Reißverschluss
  • Werkzeug: Rundstricknadeln Nr. 3 und 3,5
  • Arbeitszeit: 86 Stunden
  • Fazit: Ich finde das Muster wunderbar, und würde das nächste Mal doch meiner Maschenprobe vertrauen, um die Größe zu bestimmen. Ich habe jetzt auch wieder mehr Übung im Stricken von Norwegermustern als zu Beginn, daher würden auch die Musterreihen enger werden und eine Größe „M“ würde bei mir (172cm, 70 kg) besser sitzen.
  • Empfehlung: Norwegermuster (oder auch „Fair Isle“ Strickerei) vertragen gut ein eher robustes und etwas raueres Garn. Wähle dafür ruhig eine regionale Wollmarke, wie du sie auf dem Textilportal findest.

Verlinkt bei

Die Jacke gibt ein Kreuzchen im Feld „Ich seh rot“ beim Bingo! 2024 von Antetanni. Ob ich wohl bis zum Finale noch eine Biongo-Reihe voll bekomme?

8 Kommentare zu „Strickjacke „Paula Sandnes“ mit Norwegermuster“

  1. Liebe Gabi,
    diese Jacke ist so wunder-wunderschön! Alleine das Muster gefällt mir sehr.
    Ich kann nicht gut Norwegermuster stricken, weil ich den Spannfaden extrem zu stramm ziehe. Ich habe es inzwischen mehrfach versucht. Um so größer ist meine Bewunderung, dass es dir trotz dieser Hürde so ausgezeichnet gelingt. Auch deine Anpassungen finde ich großartig.
    Ein tolles Stück.
    Und mit so viel ökologischem Denken verbunden. Ich finde dieses Thema sowieso extrem spannend und versuche meine eigenen Wege dabei zu finden.
    Vielen Dank für diese Geschichte und die sonnigen Bilder.
    Dir noch einen schönen Tag
    Liebe Grüße
    Christiane

    1. Liebe Christiane, habe auch am Anfang den Spannfaden immer zu stramm gezogen, dann „puckert“ das Muster. Aber mit der Zeit habe ich mich immer mehr bemüht, immer lockerer zu stricken. Locker Strickende Menschen haben jedenfalls einen Vorteil bei dieser Technik! Dir auch einen sonnigen Feiertag! Liebe Grüße, Gabi

  2. Die Jacke ist wirklich ein megatolles Anziehteil. So eine Jacke würde ich auch anziehen, wann immer es geht. Das Muster und Farben und ach … herrlich! Sie kleidet dich ganz vorzüglich und ich wünsche Dir immer ein heimeliges Gefühl darin. Hab auch im neuen Jahr viele gute Momente darin und natürlich auch ohne, wenn es wärmer wird. Ich verfolge deine Wollaktivitäten mit viel Interesse, es ist einfach toll, was du alles auf die Beine gestellt hast! Liebe Grüße Ingrid

    1. Vielen Dank, liebe Ingrid! Es heißt ja, das man in echten Wollsachen auch im Sommer angeblich nicht schwitzt. Ich werde sie so lange es geht in den Frühling hinein tragen. Und sonst – gut eingemottet – bis zum nächsten Winter aufbewahren. Liebe Grüße, Gabi

      1. Perfekter Plan! Mir persönlich Wolle immer viel zu warm, hier in Franken gibt es kaum Tage im Winter, an denen ich meine alten Strickpullis tragen kann (noch von meiner Oma gestrickt aus meinen Jugendtagen).
        Liebe Grüße Ingrid

        1. Seit ich den extrem warmen, dunkelbraunen Windbreaker habe, den wir im AUTwool Projekt letztes Jahr (2024) entwickelt habe, gehe ich viel mehr und fast sogar bevorzugt an sehr kalten Tagen auch abends nochmal raus. 😎 Zu Testzwecken, sozusagen. Ich bin gespannt, wie lang in den Frühling hinein ich die rote Jacke tragen kann. Liebe Grüße, Gabi

  3. Ich bin begeistert!
    Unfassbar, das du das in so kurzer Zeit so toll hinbekommen hast.
    Ich kann nicht Stricken, aber mit den Spannfäden ist es sicher ähnlich wie beim häkeln.
    Je öfter mans macht, desto gleichmäßiger und lockerer wird’s.
    Und ja: die Einstellung, es ist nur Strickstoff macht’s sicher einfacher.
    Wirklich so schön geworden!
    Da lohnen sich die investierten Stunden.
    Ganz viel Freude bei den nächsten Projekten und noch alles Gute und viel Kreativität, Elan und Zeit vieles umzusetzen!
    LG Eva

    1. Du hast völlig Recht: Das Wichtigste bei den Spannfäden ist, sie möglichst locker zu lassen. Da ich sonst eher straff stricke, war das eine ziemliche Herausforderung. Ich habe mir inzwischen angewöhnt, einfach immer dran zu zuppeln, bevor ich weiterstricke. Liebe Grüße, Gabi

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