Eine Puppe mit Normalmaßen
Wenn mir mal jemand gesagt hätte, dass ich Puppenkleidung nähe, hätte ich ihr oder ihm wahrscheinlich einen Vogel gezeigt. Ich mag eigentlich am liebsten Sachen machen, die einen praktischen Wert haben, die nützlich sind. Ich bin eigentlich gar nicht der Puppentyp, und auch nicht der Stofftiertyp.
Es gibt Exemplare von beiden, die ich total herzig finde, aber ich selbst spiele nicht (mehr) mit Puppen, und wir haben solche Berge von geschenkten Stofftieren zu Hause, die nur verstauben. Wie eigentlich alle Stofftiere bei allen Leuten, die ich kenne. Das einzige was mir einfällt, wo ich jemals jemand mit Stofftieren spielen gesehen habe, ist das kleine Mädchen im Teil 3 von „Toy Story“. Bitte korrigiert mich: Kennt jemand Kinder, die wirklich z.B. Rollenspiele mit ihren Stofftieren spielen? Würde mich wirklich interessieren. Aber ich schweife ab.
Lammily und Schönheitsideale
Aber jetzt habe ich tatsächlich Puppenkleidung genäht, es ist nämlich so: Die Nachbarstochter hat zu Weihnachten von ihrem Onkel in Amerika (kein Scherz) eine Lammily geschenkt bekommen. Lammily ist den Durchschnittsmaßen eines amerikanischen Teenager-Mädchens nachempfunden: großer Hintern, feste Beine, relativ kleiner Busen. Und sie hat so richtig große Füße. Sooo coool! (Höre ich mir da richtig zu? Ich schwärme von einer Anziehpuppe? Was ist mit mir los?)
Um die Lammily ist ein richtiger Hype entstanden, das Kickstarter-Projekt hat innerhalb eines einzigen Tages die Finanzierung aufgestellt, die es zur Produktion brauchte, und das Internet ist voller enthusiastischer Berichte über diese „dicken Barbies“. Wobei: So dick ist sie gar nicht, wenn man sie allein betrachtet. Nur im Vergleich zu den üblichen, zaundürren Barbies & Co wirkt sie breit.
Das Thema Frauenbilder bzw. Schönheitsideale, besonders bezüglich Barbie, beschäftigt mich schon länger. Als alte Jägerin und Sammlerin habe ich immer wieder Bilder zum Thema gespeichert und diese jetzt auch im Album Schönheitsideale auf Pinterest zusammengestellt:
[pin_board url=“https://www.pinterest.com/mwbluemchen/sch%C3%B6nheitsideal-beauty-ideal/“]
Ich selbst bin mit Anfang 40 und nach zwei Schwangerschaften immer noch sehr schlank. (Entschuldigung, ich kann nichts dafür, ich tu nichts dazu.) Aber ich mag Rundungen. Ich habe den früheren Slogan eines österreichischen Modehauses super gefunden: „Kloucek – Mollig ist schön!“ Bis sie ihn geändert haben in „Kloucek – Mode macht schön.“ Meiner Meinung nach ein Paradebeispiel dafür, wie man seine Zielgruppe am besten vergrault. (Gibt’s Kloucek eigentlich noch? In der Radiowerbung habe ich schon lange nichts mehr gehört.)
Am einen Ende des Spektrums stehen Fettsucht und gesundheitliche Beschwerden durch einseitige Ernährung mit zu viel Zucker, Weißmehl und Fett, das ist ein großes Problem auch schon bei Kindern, keine Frage. Am anderen Ende stehen die Mädels, die sich zum Skelett hungern. Die sich zum 16. Geburtstag eine Schönheitsoperation wünschen, um ihre Nase anzupassen. Die niemals zufrieden mit ihrem Körper sind. Und dazwischen stehen alle, die nicht den (illusorischen) „Idealmaßen“ einer Barbie oder einer Modeindustrie entsprechen. Ich kenne kaum eine Frau, die wirklich rundum glücklich und zufrieden mit sich und ihrem Körper wäre, kaum eine, die nicht das eine oder andere Mal eine Bemerkung über ihre Pölsterchen machen würde.
Immer wieder taucht das Thema in den Medien auf: Die Sängerin Meghan Trainor mit All about that bass, Operation beautiful (einen ermutigenden Zettel in öffentlichen Toiletten an den Spiegel kleben), eine ältere Dove-Werbeaktion, Ihr habt das Bild ziemlich sicher schon mal gesehen (Frauen mit unterschiedlichsten Figuren – einfach googeln nach Dove Frauen Werbung, oder auf meiner Pinterest-Seite, siehe oben).
Mehr Selbstbewusstsein und Zufriedenheit mit sich und seinem Körper, bitte. Für jede Frau! Dafür steht in meinen Augen die Lammily.
Was zum Anziehen
Jedenfalls: Es hat mich noch nie gereizt, für eine der Barbies was zu nähen-stricken-häkeln, die meine Tochter besitzt (alle geschenkt von Anderen). Aber für die Lammily…
Wir haben nämlich die allerliebsten Nachbarn der Welt, und da ich schon lange nach etwas gesucht habe, mit dem ihnen mal eine Freude machen kann, habe ich die spontane „Ich näh was für die Lammily“-Aktion gestartet. Die Nachbarstochter hat sich die Stoffe aus meinen Vorräten ausgesucht, ich hab Schnitte entworfen, und genäht, und bestickt. (Der Stoff fürs Kleid war einmal ein Rock aus dem Second-Hand Laden, den ich wegen des Stoffes gekauft hatte, nicht zum Anziehen. Der Stoff für den Rock war früher ein Tischset.)
Hat richtig Spaß gemacht! (Unglaublich.) Gut, geflucht hab ich auch genug, bei dieser fitzeligen Näharbeit. Beim Halsausschnitt und den Ärmelausschnitten des Kleides habe ich mit der Maschine aufgegeben und die Säume mit der Hand umgenäht. Ich habe auch keine Ahnung, wie das gehen sollte mit der Maschine? Als der lila Rock fertig genäht vor mir lag, sah ich erst, dass da unbedingt noch ein Blümchen drauf musste. Das Blümchen habe ich per Hand gestickt, denn erstens besitze ich keine Stickmaschine (obwohl… ist wahrscheinlich eher eine Frage der Zeit…) und zweitens hatte ich das Teil schon zusammengenäht.
Gab eh viel zu wenig Blümchen in den letzten Wochen hier auf diesem Blog. Ich werde ja meinem Blogtitel gar nicht gerecht. 😉
Hier noch mein Schnittmuster für Kleid und Rock für alle, die der Puppe auch was nähen wollen. Achtung: Die Schnitte sind jeweils OHNE Nahtzugabe!
Und, ist bei Euch schon eine Lammily eingezogen? Und ich freu mich über Meinungen und Gedanken zu meinen Gedanken in den Kommentaren unten.
(Verlinkt mit Creadienstag, Meitlisache, Upcycling-Dienstag und Kopfkino)
Pingback: Wohlfühlgewicht und selber Nähen - made with Blümchen
Ups, ich oute mich jetzt. Mit 45 Jahren spreche ich jeden Tag mit meinen Stofftieren. Sie haben alle Namen und Berufe, halten sich für schlau und lieben sinnfreie Dialoge und das Rumgammeln. Einige haben gar keine Sprache, sondern nur Laute. Manchmal können mein Mann und ich uns stundenlang in „Viechssprache“ miteinander unterhalten. Erst neulich haben wir eine Zeichensprache für die Viecher entwickelt.
Wir finden das cool, können es aber auch aushalten, wenn uns da kein großes Verständnis entgegenschlägt.
Und ja, in meiner Jugend hatte ich eine „Sindy“, das war die damalige Gegenantwort auf Barbie. Nicht ganz so teenagermäßig wie die Lamilly (die ich echt supertoll finde), aber auch nicht so dünn wie die Barbie. Ich musste sie bei meinem Freundinnen beim gemeinsamen Spielen immer gegen die Barbie-Übermacht verteidigen. Schon da wurde der Grundstein für ein gesundes Verhältnis zu Püppchen (eine ausgelagerte Facette des eigenen Egos, siehe Beschreibung oben!) und jeder Menge emanzipatorisches Gedankengut gelegt.
Schöner Beitrag! Vielleicht gibt es noch Hoffnung für die Smombie (Smartphone-Zombie)-Generation?
Liebe Grüße sendet Dir
Edna Mo
Liebe Edna Mo,
Jaaa, richtig! Eure Stofftiere! Über Deinen Beitrag mit dem Stofftier-Abenteuer-Adventkalender habe ich damals herzlich und lauthals lachen müssen. Du verrücktes Huhn. (Wenn ich das hier mal so sagen darf, ohne dich persönlich zu kennen.) Ich finde das ja äußerst sympathisch, wenn Erwachsene sich so wenig ernst nehmen. Alt und gammlig werden wir noch früh genug. Oder auch nie, wenn wir uns diese „Jugend im Herzen“ (meine Güte, wie schwülstig und gleichzeitig wie wahr!) behalten.
Definitiv: Es gibt jedenfalls Hoffnung für die Smobies! Auf jede Bewegung folgt eine Gegenbewegung. Sogar mein stimmbrüchiger Teenager-Sohn bekommt häufig ganz von allein genug von Smartphone, Computerspielen mit den Kumpels und Co. und schaltet alles ab. Abgesehen davon, dass er in einem tollen Chor singt, wenn er nicht gerade im Stimmbruch ist, und da genug echte soziale Beziehungen und quality time verbringt. Ich mach mir nur Sorgen um die Jugendlichen, die gerade in dieser kritischen Zeit keine so tolle peer-group haben. Aber verwahrloste Jugendliche gab’s früher genauso… Es kommt einfach auch immer darauf an, wie man es in der Familie lebt.
danke für die schnittmuster, ich habe zwar noch keine lammily (kein onkel in amerika ,-)
) – aber für barbie näh ich sicher nichts mehr, da ich für meine tochter nur mehr lammily möchte.
bitte noch mehr!
GLG
Hallo Angelica, schön, dass dir die Schnittmuster gefallen! Dann muss ich mir die Puppe wohl wieder mal von der Nachbarstochter ausborgen und kreativ werden 🙂 lg, Gabi
Hallo, ich bin gerade über deinen Post gestolpert und kann auch nur sagen – meine Tochter (7J.) „telefoniert“ beim Autofahren gerne mit ihren Tieren die zuhause sind…gesprochen wird das dann von mir 🙂 und auch sonst sind sie oft Ihr Spielzeug für Rollenspiele. Aber ebenso gibt es bei uns dafür Barbies, Playmobil oder Fillys. Ich denke wenn ein Kind Rollenspiele liebt, dann wird alles dazu benutzt.
Für die ach so vielen Kuscheltiere die wir allerdings zuhause haben, ist heute morgen gerade ein Sitzsack fertig geworden! Gefüllt mit den Tieren und ich kann sagen es ist super bequem!!!
Viele Grüße
Manu…
Ja, meine Tochter (6 Jahre) spielt ja auch ganz viel Rollenspiele mit Fillys, Barbies und Lego Friends. Und sie hat ihre 2-3 Lieblings-Kuscheltiere, die abwechselnd mit müssen. Aber sie spielt halt nicht mit dem großen Haufen – und deine Idee, daraus einen Sitzsack zu machen, finde ich grenzgenial! Kann man diesen Sitzsack irgendwo (im Internet, auf deinem Blog) bewundern?
Ich habe als Kind sehr, sehr viel mit meinen Stofftieren gespielt, und ich weiß heute noch, wie sie heißen. Viele sind inzwischen fort, aber vergessen werde ich sie nicht – und wegwerfen musste sie mein Mann, ich habe es nicht fertiggebracht. Die innigst geliebten sind noch da und bleiben es auch. Der Kleine spielt auch mit seinen Tieren, allerdings bisher nicht so intensiv wie ich damals.
Liebe Grüße
Maike
Hallo Maike,
Danke für Dein Kommentar! Dann muss ich wohl wirklich umdenken. Ich hab selber nicht so viel mit Stofftieren gespielt und meine Kinder gar nicht. Trotzdem hab ich manche Stofftiere noch, die ich schon als Kind hatte, und die werden auch niemals nicht weggeworfen, nie!
Liebe Gabi, schick die Lammily Bekleidung, besonders das Blümchen. Als Antwort auf deine Anfrage, ob es Kinder gibt, die tatsächlich ihre Stofftiere in Rollenspiele einbauen – also bei uns wird regelmäßig mit den Stofftieren gespielt (Handpuppenhäschen Pünktche ist ein Familienmitglied, ansonsten wird Tierkrankenhaus, Zoo, Savanne etc. gespielt).
Gruß, Anika
Liebe Anika, danke, gut zu wissen.