Eine Alltagstasche mit ganz viel Innenleben
Zu ihrem Geburtstag hatte ich meiner Mutter eine Tasche versprochen, die ich jetzt zu Weihnachten genäht habe. Sie ist nach dem Schnitt der Chobe Bag von Elle Puls entstanden, allerdings leicht abgewandelt und mit einigem mehr an Innenleben.
Diese Tasche soll die alte Alltagstasche meiner Mutter ersetzen, die durch den vielen Gebrauch schon ganz abgewetzt und zerschlissen ist. Meine Mutter schätzte an der alten Tasche vor allem, wie geräumig sie war und wie viele kleinere Innen- und Außen-Taschen und -Fächer sie besaß, in denen viele Dinge ihren fixen Platz hatten. Sehr praktisch.Schon zum Geburtstag meiner Mutter im Sommer hatte ich daher die alte Tasche vermessen, Skizzen vom Innenleben und von der Aufteilung der Fächer angefertigt und einige Verbesserungswünsche notiert, die in der neuen Tasche umgesetzt werden sollten. Und dann ist das Projekt gelegen, und ich habe es aufgeschoben, und es sind andere Dinge dazwischen gekommen, und es ist gelegen… Schließlich habe ich mir einen Ruck gegeben, diese Tasche anzugehen (es wurde auch höchste Zeit!) und gleichzeitig festgestellt, woran es lag, dass ich mit dem Projekt nicht weiterkam: Ich wusste im Grunde nicht genau, wie ich die Tasche anlegen sollte. Einen kompletten Taschenschnitt selbst zu entwerfen, noch dazu recht komplex mit den vielen Innentaschen und den gepolsterten Henkeln, war mir einfach etwas zu steil.
Aber zum Glück gibt es die feine Näh-Community, in der ich einige schöne Chobe Bags nach dem Schnitt von Elle Puls sah. Besonders das Henkeltutorial der Chobe Bag war häufig gelobt worden, und ich hatte den Schnitt bereits gekauft. Ein rascher Blick ins Tutorial zeigte, dass die Chobe Bag genau die gleiche Breite (32 cm) wie die alte Tasche hatte, ich musste nur die Höhe etwas verringern. Also der perfekte Grundschnitt für die Tasche meiner Mutter!
Von außen ist die Tasche sehr schlicht in schwarzem Kunstleder gehalten, sie soll sich gut kombinieren lassen. Nur wenn man ganz genau hinschaut, sieht man das hellgraue Futter der Außentaschen rund um die Reißverschlüsse etwas herausblitzen.
Für außen hatte ich ein gut abgelagertes schwarzes Kunstleder noch daheim (ein Rest von einem Faschingskostüm), ebenso genug Reißverschlüsse in schwarz als Meterware, Metallteile und Nieten hatte ich bereits gekauft, ebenfalls einen halben Meter grauen Baumwollstoff mit Ranken für das Futter. Es konnte also losgehen!
Aber beim Zuschneiden der einzelnen Teile, abends, als alle Geschäfte bereits geschlossen hatten, hat sich sehr schnell herausgestellt, dass ich viel zu wenig Futterstoff gekauft hatte. Ich hatte einfach den Verbrauch für die vielen Innentaschen komplett unterschätzt. Ein Blick in meine Stoffreserven förderte zum Glück ein Reststück hellgrauen Stoff mit stilisierten weiß-gelben Blumen zutage, und dieser Stoff wiederum führte dazu, dass ein Innen-Reißverschluss ebenfalls gelb statt schwarz wurde und jetzt die Tasche pfiffig aufpeppt. Einige gepatchte Teile innen zeugen davon, dass es trotz des zusätzlichen Stoffes ein bisschen knapp geworden ist, es aber insgesamt gerade gereicht hat.
So sieht die Innenaufteilung im Detail aus:
Auf der einen Seite befinden sich schmale Fächer, die genau für das Handy, das Brillenetui, zwei Kugelschreiber und für Taschentücher bemessen sind.
Auf der anderen Seite ist eine verdeckte Tasche mit Reissverschluss eingenäht, sowie noch einmal ein Beutel draufgesteppt, der zwei zusätzliche Fächer ergibt (eines mit Reißverschluss, eines offen).
In der Mitte der Tasche, in den Seitennähten mitgefasst aber nicht am Boden, befindet sich die größere Innentasche mit dem gelben Reißverschluss, in der Papiere und Dokumente bis zu einer Größe von ca. A5 Platz finden und vor Verknittern geschützt sind.
Sämtliche Außenteile aus Kunstleder sind verstärkt mit H640 zwecks der Fluffigkeit (irgendwann dieser Tage leiste ich mir endlich Soft&Stable), die Futterteile sind verstärkt mit einem dünnen no-name Bügelvlies aus beschichteter Baumwolle zwecks der Stabilität, der Boden ist verstärkt mit dem steiferen Decovil, das ich ohne Nahtzugabe zugeschnitten und aufgebügelt habe. So hat die Tasche einen guten Stand, ist stabil und griffig.
Meine Mutter hat sich sehr über ihre neue Tasche gefreut, und ich, dass sie trotz kurzfristiger Panik und einiger Nähfehler und Trennerei doch noch so schön geworden ist. Mit den gelben Akzenten sogar noch schöner (in meinen Augen), als wenn ich nur graues Rankenfutter verwendet hätte.
Da meine alte Nähmaschine bei dicken Stofflagen häufig Stiche auslässt (trotz ganz neuer Ledernadel und auch wenn ich ganz langsam nähe bzw. am Handrad drehe), habe ich das letzte i-Tüpfelchen an einen Profi übergeben: Ein Schuster im Dorf meiner Eltern hat die obere Taschenkante für wenig Geld einmal rundherum abgesteppt. Perfekt.
In letzter Zeit habe ich häufig gesagt: „So ein aufwändiges Projekt habe ich noch nie genäht!“ Voraussichtlich werde ich das im kommenden Jahr noch öfter sagen können, wenn ich mich an neue Herausforderungen im Kleidung- und Taschen-Nähen herantaste. Jetzt bin ich aber zuerst einmal höchst zufrieden mit mir selbst und mit der Tasche, wünsche allseits einen guten Rutsch, und wir lesen wieder voneinander im neuen Jahr!
Das ist drin
Schnitt/ Anleitung: Chobe Bag von Elle Puls (selbst gekauft; dieser Beitrag spiegelt meine persönliche, unbezahlte Meinung wider)
Änderungen:
- Höhe um 9 cm verringert.
- Zwei statt einem Taschenhenkel angebracht und die Henkel um 19 cm verlängert.
- Viele Außen- und Innen-Taschen und -Fächer nach eigenem Entwurf eingebaut.
- Weil die innere Tasche mit dem gelben Reißverschluss an den Seiten im Futter mitgefasst ist, habe ich die 18 cm große Wendeöffnung am Boden offen gelassen statt auf einer Seite. (Die Wendeöffnung ist übrigens genau richtig groß dimensioniert! Das ist durchaus bemerkenswert bei einer Anleitung.)
Material
- ca. 150×60 cm schwarzes Kunstleder mit Textilrückseite, weiß leider nicht mehr von wo
- 150×50 cm grauer Rankenstoff: „Pearl Essence“ von Maywood Studio, gekauft bei Tommy und Lilly in Graz
- grauer Stoff mit weiß-gelben Blumen: „From Bump to Baby“ von Gina Martin für Moda Fabrics, gekauft beim Stoff-Flohmarkt am Blog von Judith September’s Quiltdelight im Sommer 2016
- schwarzer und gelber Endlos-Reißverschluss von Snaply
- ovale Ringe und Hohlnieten gekauft bei Leder Schuster in Graz
- Ledernadeln für die Nähmaschine, Handnähnadel für die Henkel
- Nähgarn unbekannter Herkunft
- H640 für die Polsterung der Tasche, Baumwollvlies für die Stabilität der Tasche
- H640 (statt Putztuch), ein Rest Fleece-Stoff, ein Stück Seil mit 12 mm Durchmesser und dickes schwarzes Knopflochgarn für die Henkel
- Stylefix (doppelseitiges Klebeband) zum Fixieren einiger Teile und der Reißverschlüsse
- ein kleines Reststück echtes Leder für die Halterungen der Henkel
Werkzeug: Nähmaschine, Hammer und Holzbrett (zum Klopfen der Nieten)
Kosten: schwer zu sagen, weil ich das meiste Material schon zuhause hatte. Vielleicht 15,- Euro?
Arbeitszeit: rund 12 Stunden (inklusive ausgiebigem Fluchen und Trennen)
Fazit: Die Tasche ist sehr geräumig für ganz viel Alltags-Sachen, dabei nicht zu groß. Sie ist stabil und griffig, kann auch allein stehen, ist aber nicht zu sperrig. Ein feiner Schnitt, der aus anderen Materialien beuteliger daherkommt, und den ich in der einen oder anderen Form sicher noch einmal nähen werde.
Eine ganz tolle, sehr ausführliche Anleitung, Schritt für Schritt genau beschrieben, sehr gut nachvollziehbar. Vor allem das Tutorial für die Henkel ist toll. Die Henkel sind gar nicht so aufwändig wie sie aussehen, man braucht ca. 1/2 Stunde Handnähen pro Henkel.
Empfehlung: Die Chobe Bag ist absolut anfängerinnentauglich, aber auch fortgeschrittene Näherinnen werden an der feinen Größe ihre Freude haben, vor allem in der ursprünglichen Upcycling-Variante.
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Wow, ich bin schwer beeindruckt von dieser tollen Tasche! Und der gelbe Farbakzent ist genau richtig dafür das Tüpfelchen auf dem i!
Das ist alles so akkuat gearbeitet und mit so vielen praktischen Fächern… Das würde ich mir noch nicht zutrauen. Ich habe schon Respekt vor der Verabreitung von Kunstleder 🙂
Ich hoffe, Deine Mutter hat lange Freude an ihrer tollen Tasche!
Liebe Grüße
Steffi
Danke Dir, Steffi! Das ist alles nicht so schwer, trau dich einfach! Das Kunstleder mit der Stoffrückseite ging sehr fein zu verarbeiten, und die Reißverschluss-Taschen hatte ich bei der MoneyBag (siehe Tauschen im Dezember) mit einer sehr detaillierten Anleitung gerade erst geübt. Ich bin auch gespannt, wie lange das Material den täglichen Gebrauch übersteht. Aber jetzt weiß ich ja, wie es geht, und kann jederzeit eine neue nähen. 😉 lg, Gabi
Das ist ja mal ein HighEnd Teil geworden! Toll, wie du die ganzen Schwierigkeiten gemeistert hast. Und dieser kreative Selbstumbau, das zeugt schon von einer gewissen Meisterschaft. Alle Achtung mal wieder, ich bin mir sicher, deine Mutter weiß es zu schätzen. (Übrigens mag ich die unbeabsichtigten Farbtupfer auch besonders gerne 😉
Guten Rutsch und ich freue mich auf deine Projekte im neuen Jahr (inkl. der angekündigten beruflichen Veränderung, alles Gute dafür). LG Gudrun
Boah, Gabi!!! Deine Mama hat sich bestimmt wahnsinnig gefreut!! Die Tasche ist sooo toll!! So schön verarbeitet – mini Nähmaschine-will nicht-wie-du-Stellen fallen im Ganzen null auf! – und die Stoffe finde ich auch echt schick!! Ein richtig zauberhaftes Geschenk!
Liebe Gabi, ich wünsche dir einen guten Rutsch ins Neue Jahr und dass das kommende Jahr dir und deiner Familie viel Glück und Liebe schenkt!!
Ich freue mich so sehr, dich kennengelernt zu haben! Du bist ein wunderbarer Mensch und ich liebe deinen Blog!! Hier kann ich immer wieder Neues entdecken und staunen!!
Morgen fahren wir wieder nach Wien und dann werde ich die Stoffe für die Herzkissen-Aktion versenden. Gilt die Adresse, die du im Post angegeben hast oder soll ich sie woanders hin schicken?
Fühl dich ganz fest gedrückt!!
Ganz lieben Gruß!
Susanna
Schicke Handtasche 🙂
Und vorallem die Träger schauen spitze aus!
Ich mag das unterschiedliche Futter – mit nur dem ursprünglichen wäre es gewiss bisschen öde geworden 🙂 Die Not war somit gar nicht so verkehrt 😉
Ich wünsche der Tasche ein ganz langes Ausgeh- und Alltagleben, sodass sie jeden Tag geliebt werden kann – das hat sie nach so vielen Stunden Arbeit ja auch reichlich verdient. Auch schön finde ich, wenn so einige Schrankleichen dann doch endlich zu einem so hübschen Gesamtwerk ihre Daseinsberechtigung finden.
Liebe Grüße und den besten Start ins neue Jahr,
´Maria
Die ist wunderschön geworden und hat gewiss gut gefallen – so viel Eleganz bei all der Schlichtheit – perfekt, liebe Gabi! Ich habe die Chobe auch noch auf dem Plan stehen und das Ebook bereits im Briefkasten – mal schauen, wann ich dazu komme. Nächstes Jahr (brüll)! Lieben Gruß und gutes Rutschen und Wünschen und Freuen und Werkeln!
Susanne
Oh dank Dir fürs Kompliment, liebe Susanne! Das schau ich mir an, wie Du zur Chobe kommst, neben deiner wöchentlichen Streichholzschachtel. Aber Dir traue ich alles zu, bei Deiner Blogpost-Frequenz! Dir auch guten Rutsch, wir hören und lesen voneinander. lg, Gabi
Hallo Gabi, sehr schön ist sie geworden deine Chobe-Bag. Da kann sich deine Mama wirklich freuen. Ich finde es schön, wie detailliert du die einzelnen Schritte bzw. Teile beschreibst, auch wenn „Fluchen“ damit verbunden ist. Ich mag solche „Geschichten“ bei einzelnen Nähwerken total gerne. Fast noch lieber, als wenn „nur tolle Bilder“ präsentiert werden. Da weiß ich zumindest, dass auch andere Nähbegeisterte mit ähnlichen Problemen („ich hab zu wenig Futter gekauft) zu kämpfen haben. Neben dem tollen gelben Farbtupfer gefällt mir aber auch dieses Leder, dass relativ weich sein dürfte. So etwas muss ich auch mal vernähen bzw. verwenden. Ist sicherlich ein spannendes Material. Dir und deiner Familie einen guten Rutsch und wir lesen/hören/sehen uns im Neuen Jahr bestimmt. Alles Liebe, Esther
Hah, ja! Geflucht und getrennt habe ich bei der Tasche zwei Mal: Als ich den Außenboden zunächst oben statt unten eingenäht hatte (den Fehler aber zum Glück noch rechtzeitig bemerkte), und als ich die zwei Henkel-Halterungen auf der Vorderseite relativ eng beieinander angenäht hatte und die Tasche umdrehte, um die zweiten zwei Henkel zu befestigen. Auf der Rückseite befindet sich aber der breitere Reissverschluss weiter oben (zweites großes Bild)… Der zweite Fehler hat mich rund zweieinhalb Stunden gekostet: Wendeöffnung wieder auftrennen, oberen Rand wieder auftrennen, die beiden Henkel auf der Vorderseite abtrennen, überlegen wie ich mit den nun sichtbaren Löchern durch die erste Naht umgehe, einen zusätzlichen Streifen aufnähen, um die Stichlöcher zu kaschieren,… Und das, wo ich eh schon knapp dran war. Es hat schon was, eine fertige Anleitung einfach nachzunähen, aber mehr lernen tut man definitiv, wenn man selbst Sachen entwirft. Wenn auch nicht immer auf die leichte Tour… 😉
Du hast Recht, dieses Kunstleder ließ sich sehr gut vernähen. Es ist nicht besonders weich aber auch nicht besonders steif – eine gute Mischung. Ich weiß nur wirklich nicht mehr, wo ich es gekauft habe, ist schon zu lang her. Ganz liebe Grüße, guten Rutsch, und bis bald! Gabi
Die Tasche gefällt mir richtig gut. Schön schlicht mit genau dem richtigen Farbtupfer. Die wird bestimmt ausgiebig ausgeführt werden.
Lieben Gruß
Marietta
Dank Dir, liebe Marietta! Den Farbtupfen mag ich auch gern, ungeplant wird häufig noch besser als geplant! lg, Gabi